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Anmerkungen zur aktuellen Lage in der Vermögensauseinandersetzung - Verfahrensabläufe dauern zu lange

Anmerkungen zur aktuellen Lage in der Vermögensauseinandersetzung

Verfahrensabläufe dauern zu lange von Rechtsanwältin Catherine Wildgans, 07.07.2002

Die Gerichte stehen den Anträgen offensichtlich jetzt nicht mehr so "feindlich" gegenüber wie zum Ende des letzten Jahres; man stößt vielfach auf Kulanz der Richter. Die Anträge werden bei Unvollständigkeit nicht einfach als "unschlüssig" zurückgewiesen und die Antragsrücknahme nahegelegt, sondern es werden konkret Unterlagen nachgefordert. Viele Gerichte haben die Kammerbesetzung erhöht. Allerdings dauern die einzelnen Verfahrensabläufe zu lange. Nach der Antragsbegründung ist wochenlange Funkstille, was auf sehr lange Stellungnahmefristen bei den Gegnern schließen läßt. Die Beschleunigung der Verfahren sollte durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und politischen Druck herbeigeführt werden. Daß die Vermögensauseinandersetzung schon bisher so lange gedauert hat, sollte kein Grund sein, um sie jetzt noch länger hinauszuzögern.

Die Antragsgegner reagieren in einigen Fällen sehr schnell, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besonders dann, wenn ihnen sehr genau bewußt ist, daß die Vermögensauseinandersetzung noch nicht erfolgt ist. Es wird der Versuch unternommen, unverzüglich nach Erhalt der Anspruchsbegründung die einzelnen Antragsteller außergerichtlich zum Abschluß eines Vergleiches zu bewegen, wobei der Verfahrensbevollmächtigte bewußt umgangen wird. Das Ergebnis ist, daß die Antragsgegner wesentlich weniger an Abfindung anbieten, als den Antragstellern zustehen würde und sie doppelt sparen: nämlich auf der einen Seite erhöhte Kosten durch höhere und damit richtige Abfindungsbeträge, und auf der anderen Seite Kosten durch geringere Verfahrensgebühren aufgrund des außergerichtlichen Abschlusses des Rechtsstreits.

Fazit: man sollte sich niemals vorschnell wegen der Verlockung des schnellen Erfolgs auf ein solches Angebot einlassen, denn es ist garantiert zu gering.

Die Frage der drohenden bzw. eingetretenen Verjährung beginnt die Gerichte zu beschäftigen. Erste Anfragen haben ergeben, daß in der Tat der einzige für den Antragsteller ermittelbare Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung zugrunde gelegt wird, nämlich der Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsnachfolgesellschaft im Handelsregister.
Das LAG besagt, daß die Verjährung am Ersten des Jahres beginnt, in dem die Feststellung der Umwandlungsbilanz erfolgte. Es wurde mehrfach festgestellt, daß dieser Zeitpunkt für niemanden ermittelbar ist, sondern dies einzig und allein der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister ist. Dieses wird als allgemein einsehbar, ähnlich wie das Grundbuch, geführt und seine Eintragungen entfalten den sog. "öffentlichen Glauben". Das bedeutet, die dortigen Eintragungen werden als wahr unterstellt, selbst wenn sie es tatsächlich nicht sind. Umstände, die nicht eingetragen sind, gelten als nicht existent. Jeder sollte also durch entsprechende Einsichtnahme in das Handelsregister bzw. entsprechende Nachfrage beim zuständigen Registergericht das Datum der Eintragung feststellen lassen. Die Verjährungsfrist beginnt sodann am Ersten des darauffolgenden Jahres und beträgt 1ß Jahre (Ende jeweils 31.12.).
Unabhängig davon sollte aber die Frage der weiteren Verlängerung durch gesetzliche Regelung dringend weiterverfolgt werden. Alle Betroffenen haben in der Zeit des Wahlkampfes die Möglichkeit, durch offene Briefe z.B. in der Presse auf diesen Missstand hinzuweisen und die Politiker aufzufordern, hier einzugreifen, um die Rechte der Betroffenen zu sichern. Dabei ist das Ziel sicherlich die Erfüllung der berechtigten Ansprüche, aber auch die Wiederherstellung einer ausgewogenen Landwirtschaftsstruktur und damit die Beschaffung/der Erhalt von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen etc. Dies kommt letztlich dem Staat und seinen Bürgern in der Gesamtheit zugute.

Die Regelungslücken des LAG sind nach wie vor ungeklärt.

Immer noch kämpfen die "Gesellschafter" der Nachfolgeorganisationen um die grundsätzliche Anerkennung ihrer Ausgleichsansprüche, obwohl sie 1991 nichts davon wussten, dass sie Gesellschafter sind und was damit verbunden ist. Die angeblichen Belehrungen darüber waren unvollständig und so unverständig formuliert, dass mancher Akademiker seine Probleme damit gehabt hätte.
Nachdem der BGH schon vor Jahren entschieden hat, dass die Gesellschafter keinen Ansprüche mehr haben, wird es vermutlich erforderlich, ein Musterverfahren durch alle Instanzen zu führen, wenn nicht auf politische Ebene eine andere Regelung herbeigeführt werden kann.
Wer davon betroffen ist, sollte den Anschluß an "Leidensgenossen" suchen, um gemeinsam gegen dieses Unrecht vorzugehen.

Auch die Nichtmitglieder, die aber genauso jahrelang ihre Arbeitsleistung einbracht habe, sind nach wir vor benachteiligt. Nach dem LPG-Statut steht ihnen genauso ihr Anteil am Gesamtvermögen der LPG zu, jedoch wurde dieser Umstand bei Abfassung des LAG offensichtlich "übersehen". Das Unrecht, das durch nichts stichhaltig begründet werden kann, widerspricht also in höchstem Maße sogar dem ursprünglichen LPG-Recht.
Es gilt hier, genauso wie im Falle der Bodenreform-Rechtssprechung, hier eine grundlegende Änderung durch eine Umkehrung der Rechtssprechung dadurch herbeizuführen, dass diese Regelung für verfassungswidrig zu erklären ist. Dieses erfordert ein langes und kostenintensives Verfahren, das nur durchgeführt werden kann, wenn sich die Betroffenen in einer eigenen Gruppe organisieren und kämpfen anstatt aufgeben.

Ist eine LPG im Liquidationsverfahren und dieses noch nicht abgeschlossen, so hat man auch dann noch Möglichkeiten. Die Ansprüche sind zur Gesamtvollstreckungstabelle anzumelden, auch wenn der Verwalter dieses als verspätet zurückweist. Tatsächlich gibt es keine Ausschlussfrist für die Anmeldung, es macht dem Verwalter nur zusätzliche Arbeit, für die er aber bezahlt wird. Daher kann diese "Risiko" mit gutem Gewissen eingegangen werden.
Im Anschluß an die Anmeldung sollte durch umfassende Akteneinsicht beim Gericht festgestellt werden, ob die LPG tatsächlich überschuldet bzw. zahlungsunfähig war. Wichtig ist die Prüfung , welche Forderungen das Eigenkapital verringern, weil erst danach die Ansprüche auszuzahlen sind, und welche Vermögenswerte vorhanden waren, aber nicht als Aktiva angegeben wurden, sodaß sich das Eigenkapital erhöht. Die zu treffenden Feststellungen sind sehr vielschichtig und sollten mindestens zum Ergebnis haben, dass sich die Durchführung des Liquidationsverfahrens als notwendig erweist.

Wie aus DDR-Unrecht BRD-Unrecht wird - Die Demaskierung des Vermögensgesetzes

Wie aus DDR-Unrecht BRD-Unrecht wird Die Demaskierung des Vermögensgesetzes


von Rechtsanwältin Catherina Wildgans, 12.11.2001

Als mir als "Wessi" die Möglichkeit geboten wurde, bei einem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in den neuen Bundesländern zu arbeiten, hatte ich keine Ahnung, wieviele neue Gesetze ich dazu brauchen würde und welchen Inhalt diese hatten. Eines aber war mir klar: es sollte darum gehen, den durch DDR-Gesetze geschädigten Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen. Der erste Blick in das damalige Vermögensgesetz machte deutlich, daß es wenige sogenannte Rückübertragungsvorschriften, aber dafür eine Vielzahl von Ausschlußvorschriften gab. Letztere wurden großzügig angewandt, die ersteren eher zurückhaltend. Das war gleichbedeutend damit, daß wesentlich mehr Rückübertragungsanträge würden abgelehnt werden müssen, als daß es stattgebende Bescheide gegeben hätte. Trotzdem oder gerade deshalb wollte ich mithelfen, möglichst vielen unrechtmäßig enteigneten Bürgern ihr Eigentum wieder zu beschaffen.

Die ersten Illusionen waren nach zweiwöchiger Tätigkeit vergangen, die weiteren folgten, als nach ca. vierwöchiger Arbeit ein Lehrgang stattfand, an dem die Begründer des Vermögensgesetzes dieses erläutern sollten. Die Erklärungen schienen mir und meinen Kollegen, fast alle Rechtsanwälte aus Westdeutschland, wie aus einer anderen Welt, denn die Weise, in der wir in der Praxis die Vorschriften anwenden sollten, hatte hiermit nichts zu tun. Nach Erörterung der herausragendsten Diskrepanzen hieß es lapidar: ,,So haben wir das nicht gemeint". Wie sollten wir also entscheiden - so, wie es "gemeint" war oder so, wie es im Gesetz stand?

Es stellte sich im Laufe der Zeit heraus, daß eine Übereinstimmung der Gesetzestexte mit den Entscheidungen des Landkreises, in dessen Namen ja letztlich die Bescheide ergingen und natürlich mit den ehemaligen Mitarbeitern besetzt waren, nur selten festzustellen war. Im schlimmsten Fall kam es ja sogar vor, daß ein Sachbearbeiter vor Jahren die Enteignung durchgeführt hatte und in der gleichen Sache heute über die Rückübertragung des Eigentums entscheiden sollte. Ein Beispiel hat mir besonders zu denken gegeben:

Die Familie X. hatte das Stadtgebiet im Jahre 1954 verlassen, weil ihr das Regime zu streng und der Lohn für die Arbeit zu gering war, also freiwillig. Sie ließ eine umfangreiche Landwirtschaft zurück und wurde nach der Verordnung vom 17.07.1952 enteignet. Grundsätzlich sollte nach dem späteren Vermögensgesetz jeder, der nach derartigen ausschließlichen DDR-Vorschriften sein Eigentum verlor, dieses zurückerhalten. Die Familie hatte sich zwischenzeitlich, sicher mit einigen Entbehrungen, aber wegen der positiven Wirtschaftsentwicklung erfolgreich ein neues Unternehmen aufgebaut. Sie erhielt 1995 ihre umfangreichen Ländereien zurück, die im höchsten Maße gewinnbringend veräußert wurden.

Ein anderer Landwirt Y. blieb mit seiner Familie, wo er war und quälte sich vermutlich jahrzehntelang mit den Abgabesolls, der politischen Situation und dem geringen Lohn. Er hielt aus bis 1983. Dann beschloß das Ministerium, auf der Fläche, die einst seine Äcker waren, eine Neubausiedlung erstehen zu lassen. Die gesetzliche Grundlage hierfür war das ursprüngliche sogenannte Aufbaugesetz, später das fast inhaltsgleiche Baulandgesetz. Danach durfte jeder enteignet werden, wenn die Grundfläche für die Errichtung von Wohnraum oder öffentlichen Gebäuden vorgesehen war.

Dabei fragte vermutlich niemand danach, ob es nicht auch eine andere Fläche gegeben hätte oder der Bau tatsächlich notwendig war. Die Entschädigung für die Enteignung fiel nach DDR-Maßstäben aus. Man könnte annehmen, daß diese Vorgehensweise mindestens so schlimm wäre wie die Enteignung, nachdem jemand das Land verlassen hatte. Bauer X. hatte schließlich wissentlich sein Eigentum zurückgelassen und hatte offensichtlich auch nicht die Absicht, jemals zurückzukehren. Das Bürgerliche Recht spricht noch heute von einer ,,Besitz- und/oder Eigentumsaufgabe". Danach steht niemandem mehr ein Rückgabeanspruch zu. Bauer Y. demgegenüber wollte aber sein Land weiter nutzen und mit der Enteignung wurde ihm die Existenzgrundlage entzogen. Dafür hätte er doch wenigstens nach Beseitigung der alten Verhältnisse sein Eigentum zurückerhalten müssen. Aber weit gefehlt: er erhält nichts zurück! Nicht einmal eine noch so kleine Entschädigung erhält er, wie sie alle diejenigen erhalten, deren ehemaliges Land heute bebaut ist und nicht zurückgegeben werden kann. Bei ihm wäre gar nichts zurückzugeben, denn er wäre nicht aufgrund von ,,diskriminierenden Vorschriften" enteignet worden, sondern nach ,,geltendem DDR-Recht"! Dieses Ergebnis fand ich niederschmetternd und denkbar ungerecht - anstatt DDR-Unrecht zu beseitigen, wurde hier neues Unrecht geschaffen.

Viele Fälle dieser Art ließen sich aufzählen, so derjenige des Fabrikanten, der seine Waren ins kapitalistische Ausland exportierte dem Staat dafür enorme Einnahmen verschaffte und letztlich enteignet wurde, weil er sich nicht ausdrücklich zu seiner Regierung bekannte (aber sich auch nie dagegen äußerte). Seine Fabrik, seine Betriebsfläche, sein Haus und sein Unternehmen wurden eingezogen, er selbst und seine Familie des Landes verwiesen. Einen Ausgleich erhielt er damals nicht. Sein Rückübertragungsantrag bzgl. der Immobilien wurde auf den Umstand gestützt, daß die staatliche Macht mißbraucht worden war. Dieser war ausdrücklich im Gesetz als Rückübertragungsgrund aufgeführt. Aber keineswegs erhielt er aufgrund dieser auch nachgewiesenen Umstände sein Eigentum zurück. Lediglich für sein Unternehmen, das zwischenzeitlich mit einem anderen fusioniert war, natürlich durch staatliche Regelung, aber sich mittlerweile in Liquidation befand, erhielt er eine geringe Entschädigung.

Ein wesentlicher "Unrechtsfall" ist auch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz und seine Folgen. Tausende von ehemaligen LPG-Mitgliedern, die jahrelang schwer gearbeitet und ihre Bodenflächen als Produktionsmittel den Genossenschaften zur Verfügung stellten, sind leer ausgegangen, wenn es um die Frage der gesetzlich vorgesehenen Abfindung ging. Die Erklärung der Nachfolgegesellschaften, es sei kein einsetzbares Kapital vorhanden gewesen, reicht meist aus, um sie von allen Ansprüchen freizustellen. Diejenigen, die versuchten, mit der Hilfe von Gerichten zu ihrem Recht zu kommen, wurden bitter enttäuscht. Diese meinen gar, jeder hätte sich im Jahre 1990 einen Rechtsanwalt nehmen können und müssen, wenn er die Rechtslage nicht selbst kannte Dabei gab es das Landwirtschaftsanpassungsgesetz erst seit Juli 1991! Also hatte auch ein Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt nicht die Möglichkeit, eine zutreffende Beratung durchzuführen. Und außerdem: wo und wieviele gab es denn in den ländlichen Gebieten?

Ein anderes Thema ist die Bodenreform. Hier wurde aufgrund eines Gesetzes aus dem Jahre 1994 den ehemaligen Eigentümern, die gerade glücklich die Umschreibung der Grundbücher auf ihren Namen bewirkt hatten, ihr Eigentum wieder entzogen. Eine zweite ,Enteignung? Nein, es stände alles im Einklang mit dem Grundgesetz, sagt das Bundesverfassungsgericht, denn die jetzigen Eigentümer seien niemals "richtige Eigentümer" gewesen.

Anhand dieser Beispiele wird deutlich, daß es wohl niemals gelingen wird, das damals geschehene Unrecht rückgängig zu machen, vielleicht ist es auch nicht gewollt. Daher ist es umso wichtiger, daß jeder einzelne um sein Recht kämpft und nicht nach dem ersten ,,Tiefschlag" wieder aufgibt. In der Zwischenzeit haben sich soviele Geschädigte zusammengefunden, daß es mit vereinter Kraft auch gelingen müßte, die Ungerechtigkeiten zu beseitigen und die Eigentums- und Vermögensverhältnisse im weitesten Sinne wenigstens in Zukunft so zu ordnen, daß wieder von einem Rechtsstaat anstatt von einem "Unrechtsstaat" gesprochen werden kann.

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