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Schwarzbuch

Opfer der „Bodenaffäre“ fordern vor dem Landtag in Potsdam ihr Recht / Oranienburger Generalanzeiger


Erich H. ist schon über 70. Sein Vater war Bauer im Norden Oberhavels. Ihm wurde 1945 im Zuge der Bodenreform Land zugeteilt. Bis heute kämpft der Mann um sein Recht – auch gegen das Land Brandenburg.

Fast drei Jahre ist es jetzt her, dass der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil dem Land Brandenburg sittenwidriges Verhalten vorgeworfen hatte. Das Land hatte bis zum Ablauf einer Verjährungsfrist am 2. Oktober 2000 in 10 000 Fällen Bodenreformland an sich selbst übertragen, weil für die Flächen keine Erben bekannt waren. Das BGH-Urteil hatte festgestellt, dass sich das Land in tausenden Fällen unrechtmäßig in Grundbücher hatte eintragen lassen.

Auch Erich H. aus Oberhavel forderte vom Land Brandenburg das Land seines Vaters Albert – sein Land – zurück. Weil er hauptberuflich zu DDR-Zeiten nicht in der Landwirtschaft tätig war, stand Erichs Name nicht im Grundbuch. Trotzdem zahlte die Agrar GmbH, die nach 1990 den Grund und Boden bewirtschaftete, in den 90er Jahren ganz regelmäßig die Pacht an Erich H. Im Jahr 2000 hatte sich das Land Brandenburg ins Grundbuch eintragen lassen und von der Agrar GmbH die Pacht eingefordert. „Das Land hatte gar nicht nach den rechtmäßigen Erben gesucht“, sagt Manfred Graf von Schwerin, der im Namen der Betroffenen seit Jahren für das Recht kämpft. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE).

Die Geschichte von Erich H. geht noch weiter. Nach dem Urteil vom Dezember 2007, nachdem die sogenannte „Bodenaffäre“ bundesweit Schlagzeilen machte, forderte der Mann 2008 schriftlich sein Recht ein. Monatelang passierte nichts. Erst auf Nachfrage reagierte die zuständige
Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG).
Der Rückgabe des Landes wurde zugestimmt, allerdings sollten die Verwaltungskosten mit der Pacht verrechnet werden, dabei waren die Verwaltungskosten doppelt so hoch wie die Pachteinnahmen.

Ein Rechtsanwalt der ARE hat den Fall geprüft und festgestellt, dass das Verhalten der BVVG zwar rechtmäßig aber trotzdem die Höhe der Verwaltungskosten, für einen Vorgang der einmal im Jahr zu überprüfen war – nämlich ob die Zahlung der Pacht eingegangen war – viel zu hoch war, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft. Der BVVG wurde ein Vergleichsvorschlag unterbreitet – bislang ergebnislos. Und Erich H. wartet – wie gesagt: Er ist über 70 Jahre alt.

Gestern Nachmittag wurde in Potsdam vor dem Landtag demonstriert. Die ARE sowie die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) und der Bund der Neusiedler-Erben (BNE) fordern von der brandenburgischen Landesregierung die Rückgabe der noch im Staatsbesitz befindlichen Grundstücke oder die Verschaffung von Ersatzgrundstücken. „Wir wollen außerdem, dass professionelle Erbenermittler eingesetzt werden“, sagt
Manfred Graf von Schwerin, der in Plänitz bei Neustadt/Dosse sein Büro hat.Nach dem Urteil vor drei Jahren hatte das Land zwar Such-Anzeigen in Tageszeitungen aufgegeben, die von Schwerin als wirkungslos bezeichnet. „Die Erbenermittler kosten das Land nicht mal Geld, weil die Kosten die Erben übernehmen“, sagt er und rechnet mit einer Erfolgsquote von mehr als 70 Prozent.

Außerdem fordern die Betroffenen, dass die Rolle der Justiz, insbesondere der Staatsanwaltschaften geklärt wird sowie volle Transparenz in Bezug auf die Untersuchung der Bodenaffäre sowie die Beschleunigung der Arbeit der Enquetekommission, die sich mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte in Brandenburg beschäftigt.

Etwa 400 Mitglieder vertritt die ARE im Land, so von Schwerin. Politische Unterstützung für die Betroffenen kommt von der sogenannten „Jamaika-Opposition“ aus CDU, Grünen und FDP im Landtag. „Der Regierungswechsel hat uns sogar geholfen“, sagt er. Für die gestrige Demonstration in Potsdam hat sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Axel Vogel, engagiert.

Kritik übt von Schwerin vor allem am ehemaligen Finanzminister Rainer Speer (SPD), der vor drei Jahren bezüglich des Vorgangs gar nicht an einer Aufklärung interessiert gewesen sei. Vom linken Finanzminister, Helmuth Markov, der seit einem Jahr die Verantwortung für das Ministerium trägt, erwartet er nichts: „Der ist doch eher damit beschäftigt, Investoren abzuschrecken.“ Anfang des Monats hatte das Ministerium bekannt gegeben, dass bis zum 30. September insgesamt 2 714 Anträge auf eine Grundbuch-Korrektur vorlagen. Davon sollen mehr als 2 200 genehmigt worden und das Land aus dem Grundbuch gestrichen woren sein.

Von Claudia Duda