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Schwarzbuch

Ulrich Woronowicz Tagebuch von 1958-1960 Als Dorfpfarrer in Brandenburg


Autor:

Dr. Ulrich Woronowicz

Verlag:

Mitteldeutscher Verlag

Preis:

9,90 €

Table of contents:

Der Autor

Dr. theol. Ulrich Woronowicz wurde 1928 als Sohn eines Pfarrers der "Bekennenden Kirche" in Ostpreußen geboren. Nach dem Studium der evangelischen Theologie in Rostock und Berlin verbrachte er sein Berufsleben (1952-1993) überwiegend in der DDR. Zunächst erlebte er als Landpfarrer in der Prignitz das "Bauernlegen" seiner Landwirte in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften), später als Pfarrer in Wittenberge den Kampf des Staates um die Jugend in Form des Zwanges zur Jugendweihe. Obwohl als Pfarrer an den Dom St. Marien in Berlin-Mitte berufen (1964-68), verhinderte die Stasi seinen Zuzug nach Berlin. 1969 promovierte Woronowicz an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Ein spätere Habilitation scheiterte jedoch an der Stasi. Als Superintendent in Bad Wilsnack widerstand er bequemer Anpassung seiner Kirche an den sozialistischen Staat, der 27 IM als Spitzel auf ihn angesetzt hatte. Seit 1993 lebt Dr. Woronowicz in Berlin als Theologe, Kirchenrechtler und Religionsphilosoph.

Buchbesprechung:

Ulrich Woronowicz wirkte fast 40 Jahre als Seelsorger in der DDR, zunächst als Landpfarrer in der Prignitz. Dort erlebte er das „Bauernlegen“ seiner Landwirte in die LPG, später in Wittenberge das Ringen des Staates um die Jugend in Form des Zwanges zur Jugendweihe.

Im ersten Band seines Tagebuchs beschreibt er den Alltag in seiner Gemeinde, alltägliche Kämpfe, kleine Glücksmomente und Niederlagen. Seine umfassenden Darlegungen reichen weit über eine private Quelle hinaus.

 

Der Autor zur Entstehung des Tagebuchs

In meine Wiege war es nicht gelegt, mich mit den Lebensgewohnheiten von Bauern und Dorfbewohnern zu beschäftigen. Ganz anders ist es jedoch gekommen. Weitere Stadien meiner vita führten über einen Sprung vom Dorf in die damals sehr prominente Pfarrstelle der Marienkirche in Berlin Ost. Darüber kann man im zweiten Band meines Tagebuches einiges erfahren. Als langjähriger Synodaler und ständiges Mitglied von Kreiskirchenräten hielt man es wohl vonseiten der Kirchenleitung für angebracht, mich in das Superintendentenamt zu berufen. Daneben hat meine Liebe zu Philosophie und Geschichte dazu geführt, die „Wertesystemtheorie“ zu entwerfen und ständig auf vielen Ebenen anzuwenden.

Der „Dominanzwert“, ein zentraler Begriff der Wertesystemtheorie, also das Zentrale, der Ausgangspunkt meines Denkens und Fühlens, das war die Verarbeitung des Entsetzens über die lebensvernichtende Ideologie des National- Sozialismus, ein geistig -seelischer Schock.

Meine Heimat war Ostpreußen, die Heimatstadt war Stallupönen. Dort war mein Vater Pfarrer.

Mein Vater begrenzte seine preußische Beamtentreue dadurch, dass er zur „Bekennenden Kirche“ gehörte und dafür auch zeitweise im Gefängnis saß. Grund war der Widerstand gegen das Sammeln von Kollekten, die nicht vom regimetreuen Kirchenregiment amtlich verfügt waren: „nicht rechtmäßige kirchenkollekten werden strafrechtlich verfolgt“. Das war damals also schon eine besondere Form des Widerstandes gegen das Regime. Der Staat brach den Widerstand einer Minderheitengruppe, die der „BK“, -über die kirchliche Behörde!!- mit Gewalt, obwohl ja auch schon damals die Trennung von Thron und Altar ein geltender, oft betonter Grundsatz war. Umgekehrt bediente sich eine regimetreue kirchliche Behörde des Armes einer Partei und deren staatlicher Gewalt, um die anders denkenden Pfarrer und Theologen zu unterwerfen. Wer mein Tagebuch liest, der wird erkennen, dass es in Familien Traditionen des Widerstandes gibt.

Mit solcher Prägung begann ich Theologie zu studieren. Mein Studium begann ich 1946 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf.

Im Sommer 1948 geschah etwas Merkwürdiges: Es kam eine Werbergruppe von Vertretern der Theologischen Fakultät Rostock zu uns. Sie suchten Studenten für ihre Fakultät. Ich war darum nach Zehlendorf gegangen, weil es sonst für Theologen überhaupt keine Studienplätze gab, doch der Grund wurde uns schnell verdeutlicht: Man wollte dort, im Norden, wohl als Probeversuch, die Theologische Fakultät schließen -des Mangels an Studenten vor allem als Mangel von neuen Bewerbern wegen. Wer wollte schon gern seine berufliche Existenz auf den Beruf eines Pfarrers gründen, dessen Stand doch bald abgeschafft oder völlig in die gesamtgesellschaftliche Ecke gestellt werden sollte.

Einige von denen, die dem Existenznotruf der ehrwürdigen Fakultät Rostock folgten, haben wahrscheinlich deren bestand zu sichern geholfen.

So kam ich 1948, gewissermaßen als Platzhalterstudent, nach Rostock. Ich wurde schnell der Vertreter der Theologischen Fakultät der Universität Rostock im Studentenrat. Ich begnegnete bald dem Jurastudenten Arno Esch. Wir kannten uns, denn ich war mit ihm zusammen in Memel in einer Marine- Flakbatterie. Er beriet mich in den sehr harten Auseinandersetzungen im Studentenrat und nahm mich in die LDPD auf, zwecks Bildung einer Fraktion, die er dann über mich leiten wollte, denn wir standen bis dahin ungeschützt den gut aufgestellten Politgruppen der „Anderen“ gegenüber.

Während meiner Tätigkeit im Studentenrat lernte ich die Kampfmethoden derer kennen, denen die Einführung des Sozialismus zum Ziel vorgegeben worden war.

Das war dann der zweite Schock in meinen bis dahin noch immer sehr jungen Jahren. Er verstärkte meine Meinung, dass der christliche Glaube, trotz erheblicher berechtigter Kritik an der Kirche, die einzige Alternative, eine vernünftige Basis für eine moderne Gesellschaftsordnung sein müsste.

Bestätigt hat sich mir damals schon der Satz: „Humanität ohne Divinität wird zur Bestialität“.

Der Vorsitzende der „Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum“, Manfred Graf von Schwerin erkannte, dass mein Text zeitnah ist und darum die Qualität eines guten geschichtlichen Dokumentes hat. Seiner Förderung vor allem ist es zu verdanken, dass die leider schon weithin vergessenen Ereignisse des genannten Zeitraumes nun wieder ein aktuelles Thema werden.

Ulrich Woronowicz