Ehrenpension für Widerständler gegen das SED-Regime
Ehrenpension für Widerständler gegen das SED-Regime:
„Wir halten es für verfassungswidrig, dass zwischen NS- und DDR-Opfern ein Unterschied gemacht wird"
(J.-K. Fromme MdB)
Es ist vollbracht! Die Groß-Koalitionäre haben endlich mit Erfolg in der Mark Brandenburg kreißen können, aber nur ein krankes Mäuslein ans Licht der Welt gebracht: Schutz- und pflegebedürftig, mager, hinfällig, kein vitaler Wurf, der überzeugt, der lindernd hinwegführt über nachhaltig wirkende biographische Zäsuren, der reputierlich auch in staatspolitischer Hinsicht wäre.
Die SED-Ehrenpension, die im siebzehnten (!) Jahr nach dem Mauerfall und seit der 14. Legislaturperiode wenigstens von der Unionsfaktion gefordert wurde, scheint als eine Art von Opferrente für einen eng begrenzten Kreis beschlossene Sache.
Wer sich eher zu den Skeptikern in der Verfolgung politischer Geschehnisse rechnete, musste freilich schon am Tagungsort Anstoß nehmen. Gehört doch das protzige Tagungsgelände am märkischen Schwielowsee zu einem nach 1949 von der Stasi kurzerhand requiriertem Refugium, das sogar noch vor dem Mauerfall als Golfplatz für die „Bewohner von Berlin (West)" hergerichtet werden sollte, um Devisen für das schon immer nur durch die sowjetische Militärkraft lebensfähig gehaltene Regime einzuspielen.
Inzwischen gehört das Gelände einem Mann namens Axel Hilpert, den die Stasi mit dem schönen deutschen Mädchennamen „Monika" markierte und den Kubas bärtiger Staatschef Castro zum „Ehrenoberst" der dortigen Armee kürte. Diesem famosen Mann war es möglich, nach der Wende millionenschwere Fördermittel des Landes für die Immobilie aus dem Etat zu lösen und - Gemeinnutz geht allemal vor Eigennutz! - auch noch gleichsam als edle Arbeitsbeschaffungsmassnahme Stasi-Mitarbeiter als Bewacher des Objekts zu requirieren.
Der Quartiermacher traf also ins Schwarze, als er den Tagungsort festlegte, und der damit sehr getrübte Genius loci scheint wohl trotz heftig wehender Scheinwinterstürme nicht vertrieben worden zu sein.
Die Regelung sieht nun vor, jedem politisch Verfolgtem, der mindestens insgesamt 6 Monate inhaftiert war, eine Opferpension von monatlich 250,- Euro zu gewähren, vorausgesetzt, der Betroffene ist in seiner wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt. Die Zahlung soll dann ohne Anrechnung auf andere Ansprüche erfolgen, also unpfändbar und zudem unbefristet sein. Finanziell sind die Grenzen eng gesetzt, bei Verheirateten bei 1300 Euro, bei Ledigen 1050 Euro. Verheiratete haben übrigens mitunter noch Kinder, was in der bisherigen Regelung noch keine Berücksichtigung findet, und sicherlich als ein nicht eben zu klein anzusetzendes Symptom über die Hell- und Weitsichtigkeit unserer politisch Mächtigen anzusehen sein dürfte.
Damit erfüllt die vorgesehene Regelung, die wohl im Sommer in Gesetzesform gebracht werden soll, kaum die Hoffnung der Betroffenen. Liegt sie doch weit jenseits der auch von der Union vorab propagierten Leistungen. Von 1000 Mark monatlich war noch 2000 die Rede, auch von Differenzierungen: Wer acht oder zehn Jahre Haft hinter sich zu bringen hatte, trägt naturgemäß daran in jeder Hinsicht schwerer als ein Häftling, der „nur" mit zwei Jahren davonkam; auch die Rentenzahlungen fallen dann sehr viel geringer aus.
Aber wer in der Opposition sitzt, wie damals die Union, und nicht hinter dem Schalter der Bundeskasse, kann Forderungen erheben, die sich dann scheinbar mühelos in Wählerstimmen ummünzen lassen. Nur, wenn die Einlösung unterbleibt, vergiftet sich allmählich die politische Sphäre des Gemeinwesens immer stärker, sie hat inzwischen schon einen hohen Grad erreicht. Und endlich, der solcherart getäuschte Wähler verkommt immer mehr zu bloßem Stimmvieh, der schließlich resigniert, künftige politische Mitarbeit verweigert, wie es die abnehmende Wahlbeteiligung und der rapide Mitgliederverlust der bisher im Bundestag vertretenen Parteien unwiderlegbar anzeigt.
Neben der fehlenden materiellen Anerkennung aller Betroffenen tritt nun der von der Union früher ins offenbar schiefe Spiel gebrachte Begriff „Ehrenpension". Ist der Widerstandskampf der finanziell besser Gestellten tatsächlich keinen Cent wert? Beruht nicht das gesamte politische System der Bundesrepublik und der mit ihr verbündeten Staaten auf genau gegensätzlichen staatspolitischen Vorstellungen, wie sie die SED zu verkünden wusste!
Das Gefühl für die gelinde gesagt karge Ausformung des SED-Opfergesetzes veranlasste die Union sofort auch noch zu unangenehm berührenden propagandistischen Rechtfertigungsattacken: So sprach der Union- Fraktionschef Volker Kauder augenblicklich davon, dass die früher vorgesehene Zahlgrenze bei 12 Monate gelegen habe, aber nunmehr werde bereits ab sechs Monaten gezahlt. Dadurch könnten nunmehr zusätzlich 6000 vom SED-Regime verfolgte politische Opfer unterstützt werden. Peinlich! Peinlich! Eine These nur für die surrenden Kameras aufgestellt, denn dies ist leider nicht konsequent bedacht: Durch die finanzielle Begrenzung gibt es nunmehr mindestens 54.000 weniger Anspruchsberechtigte von etwa insgesamt 130 00.
Die Summe des illegal ins Ausland verbrachten SED-Vermögens, das jetzt wieder weithin zurückgeführt worden ist, hätte hier mühelos vorgebliche Finanzlöcher schließen können, zumal es bei den Tätern und Verursachern des einst in der Vorkriegszeit so nachhaltig in wirtschaftlicher Blüte stehenden Raumes keine Bedenken bei den milliardenschweren Nachzahlungen gab.
Sieht man von der beteiligten SPD ab, die damit ihre zahllosen Widerstandskämpfer gerade im Raum Thüringen und Sachsen um ihren ehrenhaften Einsatz bringt, und die die auswärtige Infiltration ihres einst berühmten Ostbüros im Westteil der Hauptstadt weder abzuwehren wusste noch Wert auf bleibende Reputation ihres mutigen Streiter für die deutsche Einheit, Kurt Schumacher, legt, so versucht nun die Union, die dürftige Vorlage als grandiosen Sieg an ihre Fahnen zu heften. Ob das bei kritischer Prüfung durch die hoffenden Betroffenen so bleiben wird, scheint sehr fraglich.
Aber immerhin findet sich in ihren Reihen ein ehrenwerter Mann: Jochen-Konrad Fromme MdB, Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der CDU-/CSU- Bundestagsfraktion, der laut „Tagesspiegel" vom 9.8.02 den in dieser Angelegenheit entscheidenden Satz formulierte, hinter den die Betroffenen mitsamt ihren Opferverbänden nicht zurückfallen dürfen: „Wir halten es für verfassungswidrig, dass zwischen NS- und DDR-Opfern ein Unterschied gemacht wird."
An dieser sachlich korrekten Feststellung des offenbar famos rechtlich orientierten Anwalts werden die Parteien, der Bundespräsident und letztlich das Verfassungsgericht nicht vorübergehen können. Für die unmittelbar Betroffenen mitsamt den zahlreichen Opferbänden und allen wachen Bürgern, die die Entwicklung der Bundesrepublik mit kritischem Geist begleiten, gibt es fortan keine andere Maxime:
„Rechtliche Gleichstellung im Sinne des Grundgesetzes aller SED-Opfer mit den NS-Opfern! Zügige Lösungen im rechtlich verbindlichem Sinne des Grundgesetzes, um den bereits umlaufenden Verdacht abzuweisen, die politisch Verantwortlichen setzten auf biologische Lösungen."
Peter Fischer
Der Kommentator dieses Beitrages ist Autor des Buches „Kirche und Christen in der DDR" und des jetzt in 2. Auflage erscheinenden Romans „Der Schein" (Ludwigsfelder Verlagshaus), der eine Jugend im geteilten Deutschland als Thema hat.