Der Deutschland-Clan - Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz
Eichborn Verlag
2006
3-8218-5613-0
256
€ 19,90 / SFr 34,9
Deutschland im Griff einer korrupten Elite
Würde Silvio Berlusconi Nachhilfe in Sachen mafiöser Strukturen brauchen, müsste er nach Deutschland kommen. Da werden Flugreisen von Politikern wie Johannes Rau oder Wolfgang Clement von der WestLB bezahlt, während man Zeugen der Flüge mundtot machen will; ist das Scheffeln von Millionen durch Förderung der Korruption in Konzernen wie Dresdner Bank oder DaimlerChrylser mittlerweile an der Tagesordnung; werden Anleger eines Versicherungskonzerns um Millionen betrogen und nicht nur ein ehemaliger Verteidigungsminister ist involviert, sondern auch die Justiz schaut nur zu.
Bestsellerautor Jürgen Roth zeigt in seinem neuen Buch, wie ein engmaschiges Netzwerk aus hochrangigen Politikern, führenden Konzernchefs und toleranten Justizbehörden die Deutschland AG mit Methoden beherrscht, die eines Rechtsstaats unwürdig sind. Wer wen erpresst, wer die Drahtzieher anrüchiger Deals sind und warum die Justiz nicht ermittelt - dieses Buch enthüllt anhand bisher unbekannter Dokumente Gaunerkartelle, Korruptionsaffären und Verstrickungen von Ministern, Top-Managern und Staatsanwälten.
Jürgen Roth enthüllt das dichte und für die Beteiligten äußerst profitable Geflecht von Abhängigkeiten zwischen hochrangigen Politikern, führenden Managern und Justizbeamten.
Rezension (Auftragsarbeit):
von Klaus Peter Fischer
Alexander Puschkin, noch immer Russlands beliebtester Dichter, auch als kundiger Historiker in den Geheimarchiven des Zaren tätig, ging davon aus, daß die meisten Menschen eher liebgewordene Illusionen zu hätscheln pflegen, als die oft bitteren Wirklichkeiten der Welt wahrzunehmen. Geht man davon aus, daß die meisten illuster gesetzten Bilder häufig bloße Ergebnisse geschickt verabreichter politischer Suggestionen sind, so muß man Puschkins Wort auch heute noch - mündiger Bürger hin, "mehr Freiheit" - wagender Bürger her - gelten lassen. Leider.
Mit dem Begriff "soziale Marktwirtschaft" gehen Politiker heute schon auffällig zurückhaltend um, manche, wie unsere aus Hamburg stammende Kanzlerin, versuchen mit dem Wörtchen "neo" krampfhafte Rettungsversuche. Vergeblich. Auch der Begriff "Rechtsstaat" ist längst in die Jahre und ein wenig aus dem Sprachgebrauch gekommen, auch wenn, trotz Puschkin, kein anderer Weg in eine sichere Zukunft führt. Jürgen Roth, mit "Der Oligarch" und "Ermitteln verboten / Warum die Polizei den Kampf gegen die Kriminalität aufgegeben hat", einer der besten Kenner der organisierten Kriminalität der Bundesrepublik, hat nunmehr mit "Der Deutschland-Clan /Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz" ein weiteres Buch nachgeschoben, das reinigend in die windigen Suggestionen vom Rechtsstaat fahren soll.
Ist der von Roth beschworene "Deutschland- Clan", jene dicht verbundene Gruppe von Politkern, Unternehmern, Staatanwälten und Richtern, bereits eine mit ominösen Blutsritualen und geheimen Paßwörtern und Zeichen verschworene Gemeinschaft oder erst ein vorerst noch ungeordneter, frei fechtender Haufe, der nur auf Häufung von Kapital aus ist? Er verwirft die Antwort nicht rundweg, auch wenn er davon ausgeht, daß es sich längst um viel mehr als um nur bedauerliche Einzelfälle handelt. Dieser Clan, schon der Begriff zeigt Herkunft und Praxis an, und stellt insgesamt zugleich vermutlich das letzte Aufgebot des rigiden globalen Übersee- Kapitalismus dar, ist nach Roths Urteil das "neoliberale Gedankenkonstrukt, in dem Gemeinsinn durch puren Egoismus und Moral durch Anhäufung von möglichst viel Kapital, durch blanke Geldgier ersetzt wurden. Soziale und gesellschaftliche Verantwortung spielt für die Mitglieder des Deutschland-Clans keine Rolle mehr".
Diese Art von Neoliberalismus walzt mit seiner entgrenzenden Zielsetzung alle kulturell gesetzten Hürden der "Alten Welt" als bloßen moralischen Firlefanz mit der Allzweckwaffe Leitwährung nieder, an deren Ende allein der nackte Gewinn steht.
Professor Hans See, Gründer der Bürgerrechtsorganisation "Business Crime Control" (www.wirtschaftsverbrechen.de) meint dazu: "Die großen Steuer- und Subventionsbetrüger, die Schmiergeldzahler, die Politiker und Parteien kaufen, Parlamentarier auf ihren Gehaltslisten führen, die nichts anderes tun, als für Gesetze zu stimmen, die der Wirtschaft Vorteile, Machtzuwachs und Gewinne bringen, und Gesetze verhindern, die dem Ziel dienen, Natur, Gesundheit, Leben zu schützen, aber Gewinne schmälern könnten". Diese geradezu epidemisch wirkende Faszination, die von der Gier nach Geld und Gold ausgeht, ist zweifellos ein steter Teil unserer menschlichen Struktur. Aber eben nicht nur. Kulturell hoch stehende und damit verantwortlich handelnde Führungsschichten haben aus Kenntnis der menschlichen Natur heraus deswegen traditionell ein umfassendes System von Hürden, Sperren und Tabus aufgebaut, die auf dem Weg nach oben zu nehmen waren.
Geächtet und an den Rand gedrängt wurde, wer Gelderwerb allein in den Mittelpunkt seines Lebensziels stellte. Entgrenzungen gab es nur für kurze Zeit - zu Fastnacht! Heutet mutet unser politischer Alltag wie eine jahresdurchgängige Großveranstaltung von Karnevalsgesellschaften an. Und in Wahrheit ist inzwischen ziemlich sicher, daß es sich dabei um gezielte Inszenierungen des Clans handelt, der seine Mineure auf noch verbliebene kultureller Strukturen mit hinreichendem Sprengstoff hetzt und es sich keineswegs mehr um entfesselte Selbstdarsteller eines immer auch vorhandenen Narrensaums handelt.
Diese fortschreitende Enttabuisierung stürzt Rangordnung und Wertigkeit, stellt sie auf den Kopf, wird durch nichts als Phrasen ersetzt und stemmt sich breit gegen alle reale Lebenserfahrung. Unter Alkohol begangene Raufereien werden in den Rang von staatsgefährdenden Putschversuchen gehoben, werden längst sattsam Polizeibekannte Rauschgifthändler zu Opfern politischer Abneigungen stilisiert und Verdauungsbeschwerden eines Fußballkönigs zu Spitzenmeldungen gekrönt. Gilt es nicht längst als ausgemacht, daß in den Medien die Deutungshoheit von Zeitereignissen weder dem Zufall noch dem souveränen Fachmann überlassen wird? Schauspieler, zumeist eher in der geschmeidigen und suggestiven Wiedergabe von Worten als in der mühsameren Sphäre des Denkens zuhause, werden in den Rang von seherischen Visionären und Deutern zeitgeschichtlicher Ereignisse erhoben, auch wenn sie nur den Brei des Clans wohlgefällig geschmeidig rühren.
Roth zitiert Wolfgang Hetzer, der einst im Kanzleramt tätig war, der auf einer Tagung für Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte am 15. März 2006 in Trier sagte: "Eine fast schon dramatische Schlußfolgerung drängt sich auf: Ein Gemeinwesen, das von einer Machtclique geführt wird, die nicht mehr begreift, daß sie mit der Demütigung von Mitmenschen ihre Legitimation verliert, hat jeden Anspruch auf Loyalität verwirkt". Der Zusammenhang mit der immer geringeren Wahlbeteiligung der Bürger und dem steten Anwachsen der ohnehin schon größten Partei der Nichtwähler scheint evident. Kein Wunder, kam doch schon 1978 die mit der Aufklärung von Mafiaverbrechen beauftragte italienische Polizei zu der Schlußfolgerung, daß in Berlin ein "illegales Netzwerk bestand und von der CDU und dem Rotlichtmilieu angeführt wurde".
Daß sich die schwarzen Verbindungsfäden von der Politik bis in die Gerichtssäle ziehen, zeigt sich am Beispiel des Prozesses gegen den ehemaligen Staatssekretär Holger-Pfahls, dem Ex-Staatssekretär von der Hardthöhe und Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Obwohl das Augsburger Gericht davon ausging, daß der smarte Politiker "3, 8 Millionen Mark Schmiergeld ohne Gegenleistung" einstrich, kam es nach einem "Deal" zwischen Verteidiger und Gericht zu schlappen zwei Jahren und drei Monaten Haft.
Für die atmosphärische Krönung sorgte zum schlechten Ende hin noch der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister, der sich "ungewöhnlich servil" vor dem Angeklagten verbeugte, während der Staatsanwalt Winfried Maier, der das Verfahren überhaupt erst angestrengt hatte, unversehens - abgesetzt wurde!
Maier erinnert sich an die Vernehmung des Sohnes des Franz Strauß, Max, der das Vernehmungszimmer grußlos betrat, um im Nachbarzimmer ungefragt seinen Mantel abzulegen. Winfried Maier: "Ich schaute verdutzt. Sind Sie hier zu Hause?" "Mehr als Sie denken", antwortete der. Bereits zuvor war eine Hausdurchsuchung bei Strauß jr. "monatelang durch den Staatsanwalt verzögert" worden.
Roth verweist zur Abrundung des süddeutschen Geschehens darauf, daß der damals den Haftbefehl gegen Pfahls beantragende Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger bei einer Rückfahrt nach Augsburg "in seinem nagelneuen Dienstwagen" tödlich verunglückte. Und bis heute, so der Autor, sei der Unfall nicht aufgeklärt.
Jörg Hillinger, der offenbar unbestechliche Streiter für Recht und Bürgermut, war es auch, der "seit 1995 das Ermittlungsverfahren gegen den Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber, den Ex-Staatssekretär Holger Pfahls, den Strauß-Sohn Max und den früheren CDU- Schatzmeister Walther Leisler Kiep sowie zwei Thyssen-Manager leitete."Daß Holger Pfahls nach Recherchen der "Report" - Redakteure K. Wiendl und Rudolf Lambrecht immer noch "eine eigene Firma" besaß, in der "mehr als 100 Millionen Mark steckten", ist dann die schwarze Kehrseite der Goldmünze Gerechtigkeit.
"Rostock, das ist die höchste Form der Korruption in Deutschland", meinte ein Landespolitiker zu Jürgen Roth. Offenbar sieht es nordwärts nicht besser aus als im südlichen Freistaat. Sind es in Bayern die im Sumpf der Nachkriegsära schnell nach oben gewachsenen, nunmehr gleichsam schon traditionell gewordenen Seilschaften, die den Rechtsfrieden gefährden, so mischen sich in Mecklenburg- Vorpommern die versprengten Genossenschaften der Stasi mit einer westdeutschen Negativauslese von skrupellosen Geschäftemachern, karrieresüchtigen Staatsbeamten und rot-weißen Bruderketten entlang der pommerschen Küste, von denen Roth schon in "Aneta M. /Gesucht von der Polenmafia" (ebenfalls Eichborn-Verlag. Siehe auch Rezension unter www.are.org.de /Aktuelles/ Buchempfehlungen) ausführlich zu berichten wußte.
Dieses für die deutschen rechtsstaatlichen Belange hochgiftige Amalgam fand sich in ominösen Mecklenburger "Jagdgesellschaften" und ähnlichen Vorwandvereinen zusammen, die aber weniger Böcke schießen, sondern eher auf den Rostocker Hafen und die Immobilien der Hansestadt aus waren. Ein verwegener Händler, so berichtet Roth, konnte gar einen Barscheck der Chase Manhattan Bank vorweisen, mit dem er das gesamte Rostocker Busunternehmen aufkaufen wollte. Wie Beamte später herausfanden: "Geld vom Starnberger See", an dem der berüchtigte Alexander Schalck-Golodkowski eine würdige Altersresidenz errichtet bekam, der mit jener oben schon angeführten süddeutschen Clique selbstlos mit Milliardenkrediten (und selbst verordneter sowie selbstverständlich auch selbst genehmigter Vermittlungsgebühr!) daran arbeitete, daß die überhaupt nur durch die sowjetische Besatzungsmacht mühsam am Leben gehaltene DDR weiterhin nicht der finanzielle Atem ausging.
Wer dann aber nach dem Zusammenbruch des SED- Regimes versuchte, wieder Leben in die verwüsteten Länder zu bringen, wurde ruiniert, wie es dem 1990 aus den USA nach Mecklenburg zurückgekehrten Unternehmer Karl H. Smarsch erging: der wollte eine Getreidemühle bei Neubrandenburg betreiben, die wohl früher im Familienbesitz war. Das Vermögensamt Neubrandenburg erklärte ihm nach dem Kauf drohend: "Hätten wir etwas zu sagen, hätten Sie die Mühle nicht zurückbekommen". Der Grund der Drohung lag in der wartenden Konkurrenz begründet, die einflußreich dafür sorgte, daß Karl Smarsch kein Geld mehr für den Ausbau der Mühle bekam. Ein Bankier der Vereins- und Westbank sagte ihm: "Wenn Sie all Ihr Eigentum an uns übertragen, geben wir Ihnen 300 000 Mark im Koffer, aber mit der Auflage, daß Sie wieder in die USA zurückgehen. Wenn nicht, schneide ich Sie ab!" Smarsch bekam tatsächlich kein Geld mehr, versuchte aber andere Wege. Nun griff erneut das Netzwerk in die Speichen: die Stadtverwaltung. Sie meldete sich mit der Auflage bei ihm, er dürfe fürderhin nur noch die teure Fernwärme für seine Mühle benutzen. Daß bedeutete das Aus, Smarsch war ruiniert und muß heute von den schmalen Bezügen von Hartz IV leben, wobei der Namensstifter dieser windigen Verordnung mit dem römischen Zahlzeichen selbst schon wieder Teil jenes zähen Netzwerkes ist, das seine roten Fäden von Hannover aus nach Berlin und sonst wohin so fragwürdig zu ziehen wußte, daß er nun selbst vor den Kadi kommen soll..
Damit ist noch keineswegs der gordische Knoten der dunklen Fäden entwirrt, geschweige denn durchschlagen. Roth bringt uns in die engen Schranken der Gerechtigkeit des Bundesgerichtshofes, berichtet von der "Spätzle- Connection, erläutert das "Würzburger Erfolgsmodell" und führt uns die Stille der Insel Hiddensee, wo ein vormals in Westdeutschland verdienstvoll wirkender Briefträger zum Bürgermeister avancierte und sich fortan um Abwässer und Trinkwasser sorgte. Naturschutz muß schließlich sein. Ein Hiddenseer, der das Werk nach der Nacht lobte: "Ich kann nunmehr mit Sekt die Toiletten spülen, das ist billiger als das uns in Rechnung gestellte Wasser". Was ja nun, nimmt man nur alles in allem, keine Kleinigkeit ist und in der Dialektik eine überaus segensreiche Kombination von ehemals erhofftem kommunistischen Luxus und westdemokratischer Praxis darstellt..
Jürgen Roth zeichnet mit seiner bisherigen "Tetralogie des politischen Verbrechens" ein geradezu beispielloses Sittengemälde der bundesdeutschen Wirklichkeit, das Schwarz von Weiß so schroff zu trennen weiß, um damit erst jene unerbittliche Wirklichkeit aufscheinen zu lassen, die allein die Grundlage jeglichen neuen Reformversuchs sein kann. Er leistet Vorarbeit erster Güte für die Zulunft.
Denn daß ein Neuanfang demnächst in den Blick genommen werden muß, entspringt nicht nur dem trüben Einfall eines Moments, sondern diktiert schon der von jenen Kreisen verursachte Schuldenstand der Staatskasse. Und jeder ist dann wieder gefragt. Erich Kästner meinte bei anderer Gelegenheit betrachtend: "An allem Unfug, der geschieht auf dieser Welt, sind nicht nur diejenigen schuld, die ihn verursachen, sondern auch die, die ihn nicht verhindern".
Der Rezensent K. P. Fischer ist Autor des Sachbuches "Kirche und Christen in der DDR", Verlag Gebr. Holzapfel, und des unlängst im Ludwigsfelder Verlagshaus erschienen Romans "Der Schein"