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Schwarzbuch

Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes / Brief von Dr. J. Wasmuth an Hr.RA Dr. Peter Struck


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Herrn Rechtsanwalt

Dr. Peter Struck, MdB - persönlich -

Fraktionsvorsitzender im DBT

Platz der Republik 1 11011  B e r l i n       

 Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes 

 Sehr geehrter Herr Dr. Struck,  erlauben Sie, daß ich mich aufgrund eines Schreibens vom 13. Mai 2008 Ihres Stellvertreters im Fraktionsvorsitz der SPD Klaas Hübner an Frau Elisabeth Salomon, das den derzeit diskutierten Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes zum Gegenstand hat, als jemand an Sie wende, der sich seit inzwischen 15 Jahren vornehmlich rechtswissenschaftlich und gelegentlich auch rechtspraktisch eingehend mit der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts und des kommunistischen Unrechts im Gebiet der ehemaligen DDR befaßt, wende.  Wie Ihnen bekannt ist, sind Bodenflächen im Gebiet der ehemaligen DDR von der BVVG als Eigentum oder in Pacht nahezu vollständig an LPG-Nachfolgeunternehmen verteilt worden. Landwirtschaftliche Familienbetriebe nehmen dagegen einen prozentual nur geringen Stellenwert ein. Sog. Alteigentümer, welche Bodenflächen im Rahmen der kommunistischen Bodenreform verloren haben, sind Bodenflächen in insgesamt zu vernachlässigendem Umfang überlassen worden.  Die LPG-Nachfolgeunternehmen verfügen durchschnittlich Bodenflächen in einem Umfang von über 1.000 ha, während die Landwirte im Westen durchschnittlich über Bodenflächen in einer Größe von unter 40 ha verfügen. Obgleich wiederholt behauptet wird, die Betriebsgröße der ostdeutschen Landwirtschaft sei besonders ökonomisch, hat  sich dies als Irrtum herausgestellt. Die meisten LPG-Nachfolgebetriebe leben seit Jahren von der Substanz und können nur deshalb existieren, weil ihnen - im Vergleich zu westlichen Betrieben - insgesamt betrachtet weit höhere Fördermittel zufließen. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber signifikant. Sie ergeben sich etwa daraus, daß praktisch reine Lohnbetriebe in der Landwirtschaft ineffektiv arbeiten oder daß derartige Betriebsgrößen unnötige Kosten etwa wegen weiterer Zuwegungen, erhöhter Natur- und Umweltschutzaufwendungen und vieler anderer Faktoren hervorrufen.  Vor diesem Hintergrund stellt die derzeitige Betriebsstruktur in der ostdeutschen Landwirtschaft also eine auf Dauer nicht zu rechtfertigende Belastung für den Steuerzahler dar. Hinzu kommt, daß die meisten LPG-Nachfolgebetriebe durch gesetzwidrige Manipulationen zum Nachteil aus den ehemaligen LPGs ausgeschiedenen oder herausgedrängten LPG-Bauern entstanden sind. Es besteht also kein öffentliches Interesse daran, die von der weitgehend einseitigen Vergabepraxis der BVVG favorisierte Monokultur in der ostdeutschen Landwirtschaft weiter durch einseitige Vergünstigungen künstlich aufrecht zu erhalten.  Zu diesem Ergebnis freilich führt der von der SPD-Fraktion favorisierte Entwurf zum Flächenerwerbsänderungsgesetz zwangsläufig, weil er keine wirksamen Steuerungselemente enthält, die verhindern könnten, daß die BVVG ihre einseitige Vergabepraxis korrigiert.  Fatal ist der Entwurf auch deshalb, weil er keine nachhaltigen Instrumente zur Verfügung stellt, die es erlauben, daß sog. Alteigentümern, welche ihre Bodenflächen im Rahmen der kommunistischen Bodenreform oder zeitlich später verfolgungsbedingt verloren haben, tatsächlich ermöglicht wird, ihre in § 3 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz verbürgten Kompensationsansprüche umzusetzen. Dies ist aus zwei Gründen unentschuldbar: Zum einen führte die Berücksichtigung von Alteigentümern zur Betätigung weiterer landwirtschaftlicher Familienbetriebe, die wirtschaftlich überlebensfähig sind, zum anderen besteht ein, auch vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkanntes öffentliches Interesse, das ihnen durch die Kommunisten zugefügte schwere Unrecht jedenfalls in geringem Umfang wiedergutzumachen. Beide Ziele, die der Gesetzgeber 1994 unzweideutig verfolgt hat, werden durch den Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes konterkariert.  Insofern liegt es im öffentlichen Interesse, über den Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes nochmals eingehend nachzudenken. Nach meiner Beurteilung ist es dabei unerläßlich, jedenfalls noch folgende Gesichtspunkte unmißverständlich zu regeln:  ·      Begünstigt erwerbsberechtigt sind LPG-Nachfolgebetriebe bis 2009 nur dann, wenn sie nachweisen, rechtmäßig umgewandelt worden zu sein und langfristig wirtschaftlich auf keine außergewöhnlichen, nicht auch an westliche Betriebe fließende Fördermittel angewiesen zu sein. ·      Durch den begünstigten Flächenerwerb sind dagegen vornehmlich bestehende Familienbetriebe zu fördern. ·      In bezug auf sog. Alteigentümer halte ich folgende Regelungen für unerläßlich: ·      Festschreibung des in der ursprünglichen Fassung des Ausgleichsleistungsgesetzes vorgesehenen vergünstigten Verkaufspreises. Dies halte ich bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen für unerläßlich, weil Kompensationsleistungen für Alteigentümer vom Subventionsverbot des EGV und nach den ausdrücklichen Angaben der Kommission nicht erfaßt sind und deshalb keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung bestand, 1999 den Kaufpreis auch für diese Berechtigtengruppe anzuheben und damit entschädigungslos in die durch das Ausgleichsleistungsgesetz eingeräumte Eigentumsposition einzugreifen. ·      Schaffung der Erwerbsmöglichkeit auch vor Bestandskraft einer Entscheidung über die Ausgleichsleistungsberechtigung. Die bloße Glaubhaftmachung eines Ausgleichsleistungsanspruchs muß für den begünstigten Erwerb zunächst ausreichen. Dies ist schon deshalb unerläßlich, weil - im Rechtsstaat völlig unvertretbar - über die Mehrzahl der beantragten Ausgleichsleistungen auch seit 14 Jahren nach Verabschiedung des Ausgleichsleistungsgesetzes nicht entschieden ist. Hier weist die Bundesrepublik Deutschland alle Anzeichen einer reinen Banenrepublik auf, die bislang einen begünstigten Erwerb von Alteigentümern weitgehend unmöglich gemacht hat. ·      Klarstellung, daß das Ortsansässigkeitsprinzip auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG für Alteigentümer nicht gilt. Anlaß dazu besteht aufgrund einer rechtlich nicht haltbaren Rechtsprechung des 5. Senats des BGH. Eine Änderung der geltenden Rechtslage ist damit nicht verbunden. Die das Gesetz wesentlich verkennende Rechtsprechung führt jedoch zu einem offenen Mißbrauch eines vermeintlichen Rücktrittsrechts der BVVG. Vor diesem Hintergrund darf ich Sie und die SPD-Fraktion bitten, sich nochmals eingehend mit der Problematik des Flächenerwerbsänderungsgesetzes zu befassen, damit die Weichen in der ostdeutschen Landwirtschaft nicht für Jahrzehnte - nicht zuletzt zum Nachteil aller Steuerzahler - falsch gestellt werden.  Dem Schreiben Ihres Stellvertreters Klaas Hübner entnehme ich, daß sich die SPD-Fraktion mit den tatsächlichen Problemen, welche der Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes aufwirft, nicht hinreichend auseinandergesetzt hat und auch von sachlich nicht haltbaren  Annahmen und Unterstellungen ausgeht. Insgesamt zeugt mir dieses Schreiben von mangelnder Sachkompetenz. Ich halte es sogar für beschämend, daß ein solches Schreiben im Namen der SPD-Fraktion versandt wurde und fordere Sie dringend auf, sich von diesem in aller Form zu distanzieren. Dazu darf ich nur auf folgendes hinweisen:  ·      Herr Hübner trägt vor, es sei verständlich, daß mit dem größer werdenden zeitlichen Abstand zu den Regelungen des Einigungsvertrages bei Enteignungen der Nachkriegszeit das Außergewöhnliche der Zeit zurücktrete und individuell erfahrenes Unrecht in den Vordergrund rücke. Eine solche Äußerung halte ich für eine schlichte Ungezogenheit, Zynismus und offene Verhöhnung der Opfer. Es steht außer Frage, daß die kommunistisch-stalinistische Bodenreform nichts mit einer rechtsstaatlich vertretbaren Bodenreform gemeint hatte. Sie diente in erster Linie der systematischen Kaltstellung, physischen, gesellschaftlichen und sozialen Vernichtung eines ganzen Berufsstandes mit verheerenden Einbußen an Leib und Leben, persönlicher Freiheit, gesellschaftlicher und persönlicher Achtung sowie an persönlichem und betrieblichem Eigentum. Diese Unrechtsmaßnahmen als „Enteignungen der Nachkriegszeit“ zu verharmlosen, ist eine nicht zu entschuldigende Verharmlosung des tatsächlich geschehenen Unrechts und ich erwarte, daß sich Herr Hübner für diese Verharmlosung in aller Form bei den Opfern entschuldigt. Es steht ganz außer Zweifel, daß die sog. Bodenreform insgesamt weit brutaler und rigoroser durchgeführt wurde als die Arisierung durch das NS-Regime. Das Juden durch das Hitler-Regime angetane Unrecht weist allein wegen des betriebenen systematischen Massenmords eine andere Dimension auf. Der Gesetzgeber wertet daher die Leugnung des Holocaust per se als Beleidigung der Opfer und stellt sie unter Strafe. Bodenreformopfer sind zwar nicht systematisch ermordet worden. Hunderte sind aber dennoch bei den kommunistischen Verfolgungsakten umgekommen. Dieser Unterschied erlaubt es auch Herrn Hübner noch lange nicht, das geschehene Unrecht in der von ihm vorgenommenen Weise zu verharmlosen. Auch Sie, sehr geehrter Herr Dr. Struck, fordere ich auf, dies im Namen der SPD-Bundestagsfraktion in aller Form klarzustellen. ·      Es ist schlicht falsch, daß die Erwerbsbedingungen für Alteigentümer 1999 durch die rot-grüne Koalition verbessert worden sind. Das glatte Gegenteil ist der Fall, weil systemwidrig und entgegen der ausdrücklich Vorgaben der EG-Kommission auch die Kompensationsansprüche der Alteigentümer als Subventionen gewertet und entsprechend angehoben wurden. Daß gegen dieses Verfahren durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, habe ich bereits oben angedeutet. ·      Angesichts des Umstandes, daß die ostdeutsche Landwirtschaft weitgehend durch eine Monokultur der wirtschaftlich nicht tragfähigen LPG-Nachfolgebetriebe gekennzeichnet ist und die Flächenzuteilungen an Alteigentümer eine insgesamt zu vernachlässigende Größe aufweist, ist es purer Unsinn, wenn Herr Hübner meint, der Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes wahre ein Gleichgewicht bei der Verwertung der restlichen Flächen der TLG und verhindere - zugunsten der Alteigentümer - eine „alles oder nichts“ Strategie.  Im Interesse der Glaubwürdigkeit sozialdemokratischer Politik darf ich Sie, sehr geehrter Herr Dr. Struck, dringend darum bitten, dafür Sorge zu tragen, daß derart inkompetente und bar jeder Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge verfaßte und bereits im Ton unangemessene Schreiben, wie dieses Herr Hübner an Frau Salomon versandt hat, im Namen der SPD-Bundestagsfraktion erneut versandt werden.  Bezogen auf den Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes kann ich im übrigen nur nochmals dringend empfehlen, daß darüber auch in der SPD-Bundestagsfraktion grundsätzlich einmal nachgedacht wird.  Sie darf ich bitten, mir umgehend mitzuteilen, welche neuen Überlegungen die SPD-Bundestagsfraktion zum Flächenerwerbsänderungsgesetz anstellt und welche Maßnahmen Sie ergreifen, um sicherzustellen, daß sich Herr Hübner in aller Form für den Inhalt seines verharmlosenden Schreibens vom 13. Mai 2008 entschuldigt.  

Mit freundlichen Grüßen          (Rechtsanwalt)  

 P.S.: Durchschrift dieses Schreibens an Herrn Jochen-Konrad Fromme, MdB