Justiz: Fürstenklage abgelehnt. Verwaltungsgericht entschied gegen Solmssche Rückübertragungsforderung/MAZ
POTSDAM - Im größten Brandenburger Restitutionsverfahren entschied das Verwaltungsgericht Potsdam gestern Abend: Die Erben von Friedrich Fürst zu Solms-Baruth bekommen 7224 Hektar, die der Adelsfamilie bis zur Enteignung durch die sowjetische Besatzungsmacht nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten, nicht zurück, Revision nicht zugelassen. Das entschied die 1. Kammer gestern in mehreren voneinander getrennten Verfahren. Insgesamt stellten die Solms-Erben 1990 Ansprüche auf 17 000 Hektar Land. Ein Großteil davon fiel als Bodenreformland aus der Übertragung. 3680 Hektar erhielt die Fürstenfamilie 2003 bei einem Vergleich mit dem Bundesfinanzministerium zurück, im Gegenzug verzichtete sie auf einige Ansprüche. Jetzt ging es noch um 7224 Hektar. Die Grundstücke liegen auf den ehemaligen Solms-Gütern Baruth und Paplitz-Kemlitz und gehören heute dem Bund, der Stadt Baruth, der Stadt Zossen, dem Land Brandenburg, dem Mineralölkonzern Total und der Telekom. Ihre Vertreter saßen gestern mit im Gerichtssaal und lehnten einen Vergleich ab. So auch Baruths Bürgermeister Peter Ilk. Er sagte ebenso wie Zossens Rechtsamtsleiter Raimund Kramer: „Wichtig ist, dass nach so vielen Jahren endlich eine Entscheidung fällt.“ Baruth gehören rund 100 Hektar. Die Hälfte davon ist Wald, auf einem Teil verlaufen Straßen und Wege, „und das wichtigste Grundstück ist unser Sportplatz“, so Ilk. Das Fürstenhaus sprach von 120 Anfragen und Anträgen zu Ländereien, die es zurückhaben will. Friedrich Eduard Philip Theodor Nikodemus zu Solms-Baruth, so die Ankündigung am Gerichtssaal 4, war zur Verhandlung aus Südafrika gekommen: „Ich finde es erstaunlich und enttäuschend, wenn das Gericht geschichtliche Zusammenhänge außer Acht lässt. Wir gehen auf alle Fälle bis zum europäischen Gerichtshof.“ Und dann könne die Entscheidung noch sieben oder acht Jahre dauern“, sagte der heutige Fürst, Enkel des Mannes, der am 21. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet wurde und anerkanntes Opfer des Nationalsozialismus ist. Der Enkel sieht die Ursache für die gestrige Entscheidung darin, dass sich die Beteiligten „nicht mit uns vergleichen möchten, obwohl es bereits einen Vergleich gab“. Für ihn hat der gestrige Ausgang auch eine politische Dimension: „Ich finde das besorgniserregend mit Blick auf weitere Entscheidungen in Deutschland.“ Der Vorsitzende Richter Wilfried Hamm fragte während der Verhandlung, ob die Fürstenfamilie an einem gefälschten Papier festhalte, an einem Schreiben vom 1. August 1944, das – wäre es denn echt gewesen – der Beweis für die Enteignung während der NS-Zeit gewesen wäre. Doch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Bundeskriminalamt attestierten, dass die Schreibmaschine, auf der es geschrieben wurde, erst nach 1952 produziert worden ist. Solms-Anwalt Michael Barz bestand nicht auf dem Papier. Auf die Frage, woher es kam, erklärte Barz: „Es war plötzlich da.“ Darauf der Richter: „Nur mal so – taucht in einem Asylverfahren ein gefälschtes Papier auf, ist das ein Hammer und hat sehr wohl Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens.“ Andererseits erklärte Hamm: Hätte der Solmssche Besitz im Westen Deutschlands gelegen, die Familie hätte ihn behalten. So aber kamen sowjetische Besatzung, DDR, deutsche Einigung „und alle dazugehörigen Gesetze“, erklärte Hamm. Hätte das Gericht gestern pro Solms entschieden, wären die 1982 als Lastenausgleich für Besitzverlust östlich der damaligen BRD-Grenze an die Familie Solms gezahlten etwa acht Millionen D-Mark gegengerechnet worden. Jetzt kann der Fürst zu Solms-Baruth Beschwerde gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht einreichen. Das entscheidet über die Zulassung der Revision. Spannend für Leute, denen es um die bisher blockierten Flächen geht, ist jetzt, ob der Kreis Teltow-Fläming mit diesem Urteil Grundstücke umschreibt oder auch die allerletzten juristischen Schritte noch abwartet. (Von Jutta Abromeit)