Bodenreform-Erben fordern "Wahrheitskommission". Bisher erst 308 Zusagen für Rückgabe von Grundstücken
Andrea Beyerlein, Berliner Zeitung, 17.03.2009
POTSDAM. Betroffene der Bodenreform-Affäre in Brandenburg haben der Landesregierung vorgeworfen, die Suche nach Bodenreform-Erben nach wie zu unterlaufen. Von mehr als 10 000 rechtsstaatswidrig vom Land vereinnahmten Flächen seien noch immer nur einige hundert zurückgegeben worden, beklagte gestern der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE), Manfred Graf von Schwerin. Dabei habe die Verwaltung durchaus die Möglichkeit, etwa über Grundbücher oder Finanzämter anonyme Erben ausfindig zu machen. Um den Streit zu schlichten, fordert die ARE eine mit angesehenen Persönlichkeiten besetzte "Wahrheitskommission" nach südafrikanischem Vorbild.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte vor über einem Jahr dem Land die sitten- und rechtsstaatswidrige Enteignung von Bodenreformflächen vorgeworfen. Das war der Ausgangspunkt für die Bodenreform-Affäre, die Brandenburg bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Auch in dem daraufhin von der Linksfraktion initiierten Untersuchungsausschuss trat offen zutage, dass nie - wie vom BGH kritisiert - ernsthaft nach Erben gesucht wurde. Dies wäre die zwingende Voraussetzung für die Eigentumsübertragung an das Land gewesen. Der Abschlussbericht soll in Kürze vorliegen. In ersten Entwürfen werfen sowohl die oppositionelle Linke als auch die Regierungsfraktionen von SPD und CDU dem Finanzministerium eklatante Fehlentscheidungen vor.
Als "völlig unbefriedigend" kritisierte die ARE gestern nicht nur, dass bisher keine Verantwortlichen für das Desaster benannt werden. Vor allem seien keine Konsequenzen im Sinne der Betroffenen gezogen worden, so von Schwerin. "Viele haben Angst vor hohen Gerichtskosten und Ärger. Das schreckt ab."
Die ARE fordert, dass sich das Land selbst aktiv bemüht, anonyme Erben ausfindig zu machen. Das verlangt auch die Linksfraktion. Der Erbenanwalt Thorsten Purps hält der Regierung sogar vor, doch noch eine verspätete Übernahme zu bezwecken. Auch wenn das Land damit begonnen habe, sich aus den Grundbüchern streichen zu lassen, falle das Eigentum nach 30 Jahren an den Fiskus, wenn keine Eigentümer gefunden wurden. "Am Ende ist das Land dann doch der lachende Dritte."
Das Finanzministerium kann daran nichts Verwerfliches finden: "Wenn sich über 30 Jahre kein Erbe meldet, ist das eben so", sagte Sprecher Ingo Decker. Angesichts der öffentlichen Debatte um die Bodenreform-Affäre sei davon auszugehen, dass potenzielle Erben von den mit dem BGH-Urteil verbundenen Rückgabemöglichkeiten erfahren hätten. In den 90er-Jahren habe eine erste Erbenrecherche stattgefunden, über deren Effizienz der Untersuchungsausschuss zu urteilen habe. Eine zweite sei nicht beabsichtigt: "Die Betroffenen sollen sich melden."
Nach Angaben des Finanzministeriums haben sich bislang 2 070 Bürger mit Ansprüchen an das Finanzministerium gewandt. Ein Großteil habe aber bereits zu DDR-Zeiten vollzogene Enteignungen betroffen. Voraussichtlich würden 470 Grundstücke infolge des BGH-Urteils zurückgegeben, hieß es. Bisher seien 308 verbindliche Zusagen für die Rückgabe von Grundstücken gegeben worden.
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"Am Ende ist das Land doch der lachende Dritte." Thorsten Purps, Erben-Anwalt