Klaus Peter Krause: Enteignet, ohne es zu merken. Brandeburgs Rechtswidrigkeiten gegen Erben von Bodenreformland.
Brandenburgs Rechtswidrigkeiten gegen Erben von Bodenreformland / Grundstücksübertragung an sich selbst / Nach dem BGH-Urteil nun auch der Bericht des Untersuchungsausschusses mit deutlicher und umfänglicher Kritik
Noch einmal wird Brandenburgs Landesregierung mit begangenen Verfehlungen konfrontiert. Diesmal geschieht es durch den Untersuchungsausschuss des Landtages, der sich mit dem Vorgehen der Regierung gegen tausende Erben von „Bodenreformland“ befasst hat. Seit dem 20. März liegt nun sein Abschlussbericht öffentlich vor. Zuvor, im Dezember 2007, hatte der Bundesgerichtshof dieses Vorgehen verurteilt. „Rechtswidrig, sittenwidrig, eines Rechtsstaats nicht würdig“ habe die Regierung gehandelt, lautete seine Entscheidung. Der Ausschuss nun musste untersuchen, wie es zur Rechtswidrigkeit gekommen ist und hat kommen können. Dabei hat auch er mit deutlicher und umfänglicher Kritik nicht gespart. Jahrelange Untätigkeit und versäumte politische Entscheidungen sind sein Hauptvorwurf, vor allem gegen das Finanzministerium. Der Abschlussbericht ist umfassend, sorgfältig, klar formuliert und für die Landesregierung alles andere als ein Ruhmesblatt. Dabei rollt er auch den Hintergrund des Falles auf. Zu DDR-Zeiten hatten viele DDR-Bürger Land geerbt, das zwischen 1945 bis 1949 früheren Eigentümern entzogen und als kommunistische Bodenreform an Landarbeiter und Vertriebene verteilt worden war. Aber nach der deutschen Einheit von 1990 hat der Fiskus der neuen Bundesländer den meisten von ihnen das Eigentum daran wieder entzogen, indem sich das jeweilige Land als „besserberechtigt“ ausgeben und die Erben als „nicht zuteilungsberechtigt“ darstellen durfte. Den Anstoß dazu gaben bundesgesetzliche Vorschriften. Mit ihnen wurden diese Erben gezwungen, ihren Grund und Boden, also meist den wesentlichen Teil ihres kleinen Vermögens, unentgeltlich an den Staat abzutreten. Die Idee mit dem „gesetzlichen Vertreter“ Aber den Ländern gelang es nicht immer, die Erben, denen sie die Grundstücke wieder wegnehmen wollten, rechtzeitig ausfindig zu machen. Denn das musste vor dem 2. Oktober 2000 geschehen sein. Die Frist hatte den Sinn, Rechtsfrieden herzustellen. Da Brandenburgs Verwaltung sah, dass sie es bis dahin nicht schaffen würde, alle Erben zu finden, verfiel sie auf die Idee, sich zum gesetzlichen Vertreter dieser Erben bestellen zu lassen. In dieser Vertretereigenschaft übertrug sie die Grundstücke kurzerhand an sich selbst und ließ sich im Grundbuch als Eigentümer eintragen. So war man auch in anderen ostdeutschen Ländern vorgegangen, aber Brandenburg hat dieses Verfahren besonders intensiv betrieben. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Einzelfall (V ZR 65/07) bekam es große öffentliche Aufmerksamkeit. Wie einst die Praxis mit der Verwalterbestellung in der DDR Das oberste Zivilgericht ließ es an Deutlichkeit gegenüber Brandenburg nicht fehlen. Es legte ihm „Mißbrauch der verliehenen Vertretungsmacht“ zur Last. Schon deshalb schulde Brandenburg den Klägern, der beantragten Grundbuchberichtigung zuzustimmen. Die Auflassung der Grundstücke an sich selbst sei nicht wirksam und daher nichtig. Das Gericht bezeichnete die Auflassung, also den Vollzug des Eigentumswechsels im Grundbuch, sogar als sittenwidrig. Dies deswegen, weil Brandenburg einseitig seine eigenen Interessen und Ansprüche durchgesetzt habe. Die Begründung für die Auflassung an sich selbst sei ins Blaue hinein geschehen und inhaltlich falsch, heißt es in der Urteilsbegründung. Sie sei allenfalls geeignet gewesen, den Landkreis zu täuschen. Auch hält das Gericht dem Land ein Verhalten vor, „das nachhaltig an die Praxis der Verwalterbestellung der DDR erinnert“. Brandenburg muss also nicht nur fiskalisches Beutegut wieder herausgeben, sondern sieht sich auch öffentlich als Rechtsbrecher gebrandmarkt. Personelle Konsequenzen für die schweren Verfehlungen? Keine. Die BGH-Entscheidung ist ein Präzedenzurteil. In Brandenburg wie auch in den restlichen vier neuen Bundesländern gibt es viele tausend gleicher Fälle. Von 1996 bis 2000 hat Brandenburg, wie sein Finanzministerium auf Anfrage im Februar 2008 bekundete, mit „flächendeckender Recherche“ rund 80 000 Eigentümer von Bodenreformland ausfindig gemacht. Gegenüber rund 63 000 davon hatte es keine Handhabe auf eine Herausgabe des Landes. In rund 17 000 Fällen also hat sie einen Anspruch geltend gemacht. Bis zu 10 000 davon waren Ansprüche gegenüber unbekannten Eigentümern. Nach dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses sind in Brandenburg rund 7400 Erben enteignet worden, ohne es zu merken. Aber das Interesse von Brandenburgs Fiskus, sie endlich jetzt zu ermitteln und das Land an sie herauszurücken, scheint nicht groß zu sein; erst 170 haben ihr Land zurückbekommen, erst 308 für die Rückübertragung eine verbindliche Zusage erhalten. Fiskalischer Raubzug offenkundig Brandenburg hat die Bereicherungsabsicht bestritten. Gleichwohl ist der fiskalische Raubzug offenkundig. Daher muss man Brandenburgs Fiskus wirklich nicht bedauern, dass er diese Grundstücke wieder hergeben muss und dass ihm vorher auch schon andere Bodenreform-Grundstücke durch die Lappen gegangen sind, weil er sie nicht kannte. Der Umgang des seit 1990 gesamtdeutschen Staates mit einstigen DDR-Bürgern und deren geerbten Bodenreformland ist genau so himmelschreiend rechtswidrig wie der Umgang mit den ursprünglichen Eigentümern des Landes. Das ursächliche Unrecht lebt fort Eigentlich gehört das Bodenreformland weder den Erben noch dem Fiskus, sondern ihnen. Nach den Prinzipien eines wirklichen Rechtsstaates standen dem Staat alle diese Grundstücke überhaupt nicht zu, sondern jenen Eigentümern, denen sie in der sowjetischen Besatzungszeit (1945 bis 1949) durch politische Verfolgung entschädigungslos und völkerrechtswidrig entzogen worden sind. Mit der deutschen Einheit fielen sie zunächst an den bundesdeutschen Staat, in dem die zusammengebrochene DDR aufgegangen ist. Aber die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl gab sie an die Eigentümerfamilien nicht zurück, um sich fiskalisch daran zu bereichern. Dieses ursächliche Unrecht lebt fort und wird von den Gerichten entgegen gesetzlicher Regelungen noch immer gestützt und zu Recht erklärt.