Konsequenz der "Brandenburger Bodenreformaffäre" und des Untersuchungsberichts: Anregungen für eine neue gesetzliche Regelung
Enteignungen auf der Grundlage von Artikel 233 §§ 11 - 16 EGBGB
1. Zufällige Anwesenheit
Für nicht auffindbare Erben durfte gemäß § 2 Absatz 3 ein gesetzlicher Vertreter bestellt werden, um den Überlassungsvertrag zu Gunsten des jeweiligen Bundeslandes abzuschließen. Der Bundesgerichtshof hatte am 07.12.2007 entschieden, dass diejenigen Verträge, die unter Einsetzung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossen wurden nichtig sind. Dies führte zur Rückabwicklung der Verträge für die Betroffenen.Diejenigen Erben, die nicht auffindbar waren, weil sie sich vorübergehend oder andauernd z. B. im Ausland aufgehalten hatten, einen langfristigen Krankheitsaufenthalt absolvierten oder einfach nur in der "richtigen Zeit" eine Reise unternommen hatten, sind von dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs begünstigt. Damit entsteht die ungerechte Folge, dass es vom Zufall des jeweiligen Aufenthaltsortes der Erben abhing, ob jetzt ein Rückgabeanspruch entstanden ist oder nicht. Ein sachlich rechtfertigender Grund hierfür ist nicht ersichtlich, sodass diese nun rechtswidrige Folge durch eine gesetzliche Neuregelung zu Gunsten der Betroffenen beseitigt werden muss.
2. LPG-Mitgliedschaft als Erfordernis des Behaltendürfens
Obwohl dieses Erfordernis nicht ausdrücklicher Inhalt der gesetzlichen Regelung des Art. 233 § 12 ist, wurden die Überlassungsansprüche an die Länder dahingehend ausgeweitet, dass nur ehemalige LPG-Mitglieder berechtigt waren, das Land zu behalten. Dies entspricht nicht der Regelung der ehemaligen DDR, weil spätestens seit Mitte der 70iger Jahre in vielen Produktionsgenossenschaften grundsätzlich keine Mitglieder mehr aufgenommen werden durften, was ihre Erwerbstätigkeit dort jedoch nicht hinderte. Auch gab es auch Fälle, wo in der LPG Beschäftigte nicht formell Mitglieder werden wollten. Im Einklang mit den Regelungen der LPG-Musterstatuten, die im Zusammenhang mit Vergünstigungen ausschließlich auf die Arbeit in der LPG abstellen, aber niemals auf die Mitgliedschaft, ist die Benachteiligung der Nicht-LPG-Mitglieder durch Gesetzesregelung aufzuheben.
3. Zehnjährige Tätigkeit in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft als Erfordernis des Behaltensdürfens
Auch dieses Zuteilungserfordernis steht nicht im Einklang mit der DDR-Gesetzgebung. Viel mehr war nach allen Besitzwechselverordnungen ausschließlich notwendig, dass die Landwirtschaft vom jeweiligen Eigentümer bzw. seinem Rechtsnachfolger betrieben wurde, nicht jedoch, wie lang dies erforderlich war.Darüber hinaus sahen die Besitzwechselverordnungen die Möglichkeit vor, dass die Erben dritte Personen zur Fortführung der Landwirtschaft bestimmen konnten. Das Erfordernis der 10-jährigen Tätigkeit führt ohne sachliche Begründung und ohne Rechtfertigung in der derzeit gültige gesetzliche Regelung zur völligen Überzeichnung der DDR-Gesetzgebung,. Eine Nachbesserung ist daher dringend geboten.
4. Einschränkung der Vererbbarkeit
Die insbesondere von den Verwaltungsgerichten immer wieder zitierte Einschränkung der Vererbbarkeit durch die Besitzwechselverordnung vom 07.08.1975 ist nicht zutreffend. Zunächst galt der Grundsatz, dass Erben in die Rechte und Pflichten des Eigentümers eintreten. Waren sie zu diesem Zeitpunkt nicht in der Landwirtschaft tätig, konnten sie eine dritte Person bestimmen und darüber hinaus jedenfalls das Wohnhausgrundstück behalten, sofern sie dort wohnten. Die Besitzwechselverordnungen vom 21.06.1951 und 23.08.1956 regelten das Erbrecht in keiner Weise. Demzufolge galten für diese Zeit ausschließlich die allgemeinen erbrechtlichen Regelungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (ZGB galt erst ab 01.01.1976). Beschränkungen für Bodenreformgrundstücke waren auch im späteren Zivilgesetzbuch nicht ersichtlich. Im Urteil vom 07.12.2007 hat der BGH die Vererbbarkeit nochmals ausdrücklich klargestellt und dabei auch auf das Miteigentum von Ehepartnern gemäß Artikel 4 EGFGB hingewiesen, das auch ohne Grundbucheintragung Bestand hatte. Auch diese Rechtsprechung findet in §§ 12 bis 16 EGBGB keine Berücksichtigung und ist nachträglich zu ändern.
5. Zwangsenteignung durch Gerichtsverfahren
Im Recht der DDR war die Umsetzung der Besitzwechselverordnungen im Verwaltungsrecht angesiedelt, was grundsätzlich ein zivilrechtliches Verfahren ausschließt. Hatte sich ein Eigentümer nicht angemessen verhalten, konnten im Ausnahmefall seine Flächen per Beschluss entzogen und das Grundbuch umgeschrieben werden. Eine gerichtliche Geltendmachung konnte insoweit niemals stattfinden. Das Übertragungsrecht nach Artikel 233 EGBGB ist dem gegenüber ausschließlich zivil rechtlich angesiedelt, was dazu führte, dass im Fall von Streitigkeiten ein zivilrechtliches Verfahren mit erheblichen Kostenfolgen geführt werden musste.Eine nachträgliche Änderung des Gesetzes könnte zur Folge haben, dass wenigstens die durch die Betroffenen eingesetzten zivilrechtlichen Kosten zurückerstattet werden. (Was wohl das Mindeste wäre, wenn Enteignungen nicht rückgängig gemacht werden soll ten)
6. Verjährung
Die Anspruchsgeltendmachung durch die Länder war bis zum 02.10.2000 möglich, wohin gegen allgemeine Grundbuchberichtigungsansprüche von Privatpersonen gegen den Staat bereits zum 30.09.1998 verjährt waren. Durch die einseitige Begünstigung des Staates durch derartige Regelungen sollte dem Staat möglichst lange Zeit eingeräumt werden, um die Bürger zu enteignen. Sie stellt eine unbillige Härte zu Lasten der Betroffenen dar, die angesichts dieser "Sonderverjährung" noch mehr als zwei Jahre nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist mit ihrer Enteignung rechnen mussten.
Gekürzter Text der Rechtsanwältin Catherine Wildgans ( Berlin und Grimmen)