Der Preis der Wende. Gorbatschows Masterplan für den Systemwechsel
Olzog Verlag, München
2006
3-7892-8152-2
246
24,90 Euro
Die Vergangenheitsbewältigung ist auch nach dem Systemwechsel weder in Rußland, den GUS-Staaten noch in Moskaus ehemaligen Satellitenstaaten - mit Ausnahme der DDR - ein Thema. Die Täter der roten Verbrechen können in den Nachfolgestaaten unbehelligt leben und sogar wieder hohe politische Ämter übernehmen. Alles deutet darauf hin, daß die Wende in den Staaten des ehemaligen kommunistischen Machtbereiches nach einem geheimen Drehbuch, einem „Masterplan" ablief: Gemäß Gorbatschows Deal mit den Westmächten, den Machtverlust der ehemaligen kommunistischen Eliten u. a. durch einen Freibrief zur Plünderung des Staatsvermögens zu kompensieren - der Preis dafür, daß die Wende in Form einer „sanften Revolution" stattfinden konnte.
Der Machtwechsel in der Ukraine hat jedoch gezeigt, daß die Legitimität der neuen Machthaber, die der Westen vorbehaltlos aktzeptierte, in ihren Ländern früher oder später in Frage gestellt werden könnte.
Der Autor, ehemaliger leitender Redakteur und Kommentator bei führenden Tageszeitungen in Deutschland und Ungarn sowie langjähriger Mitarbeiter des Schweizerischen Ost-Instituts in Bern, enthüllt und analysiert die brisanten Fakten und beschreibt die Hintergründe dieses bisher unbekannten Kapitels der europäischen Geschichte.
Bei aller überaus begreiflichen Euphorie über das glückhafte Ereignis des Falls der Mauer im November 1989 blieb weithin unbeachtet, warum der Kreml nicht nur das teilweise besetzte Kernland Europas nahezu freigab, sondern auch die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Billigung der anderen neuen Weltmacht USA hinzu gewonnene Einflusssphäre dem Zugriff der Nato überließ, ohne dafür einen öffentlich erkennbaren Preis zu erhalten.
Heute stehen elektronische US-Überwachungstürme in Polen und im Baltikum, die die russischen Weiten zum verständlichen Verdruss der dortigen Militärs auszuspüren vermögen und die Truppen der Nato lagern zudem gewissermaßen vor der Hauptpforte der Schlüsselburg nahe von St. Petersburg. Ein beispielloser Siegeszug ohne einen einzigen Schuss!
Wie war das möglich?
War das ausschließlich der wirtschaftliche Bankrott, der zum Aufziehen der weißen Fahne nötigte oder nährte sich die Kapitulation aus jenem russischen Fatalismus, von dem Nietzsche schrieb, er lasse den russischen Soldaten klaglos in den Schnee sinken und erfrieren, wenn ihn die Melancholie über die Weite des Landes und die Macht der Natur überkomme?
Der Deutsch-Ungar Joseph Pozsgai, Publizist und langjähriger Mitarbeiter des dem Vernehmen nach den USA nahe stehenden Schweizerischen Ost- Institut in Bern, vertritt nun mit seinem unlängst im Olzog Verlag erschienen Buch „Der Preis der Wende / Gorbatschows Masterplan für den Systemwechsel" die These, dass es einen mit dem US-Amerikanern abgestimmten Abrissplan gegeben haben muss.
Dies einerseits, um angesichts der zu erwartenden Aufwallungen der Völker in der Stunde des unerwarteten Glockenschlags der Freiheit einen radikalen Umsturz zu verhindern, ihn jedenfalls kalkulierbarer zu machen, weil er leicht in nicht mehr abzustoppende Bürgerkriege und blutigen Generalabrechnungen mit der kommunistischen Führungsschicht einmünden könnte. Andererseits ging es um die bisherige kommunistische Führungsschicht, die sich längst akademischer Ausbildungsgänge und mehr oder weniger glückhaft der Kenntnisse spezifischer Menschenführung rühmen konnte, mit der Aussicht auf neue Aufgaben und mühelos zu erwerbenden Privatbesitz so zu beschwichtigen, dass sie für sich selbst auch unter den nunmehr veränderten Bedingungen eine sichere eigene Zukunft sah.
Dieses stillschweigende Einverständnis der kommunistischen Führungsriege in Moskau konnte nur dann erreicht werden, so die Thesen des Autors, wenn die nunmehr vakant werdenden Kuchenstücke in Form bisherigen Staatsbesitzes an die alte Führungsschicht als nunmehriges Privateigentum fiel.
Begleitet werden sollte diese Aktion durch weitgehende Straffreiheit der bisherigen Akteure von GPU, KGB, MfS und wie die beispiellos verbrecherischen Organisationen der „Tschekisten" auch immer hießen, deren exklusive Leistungen Genickschuss, Verhungern, Vergasung und Zwangsarbeit in Millionenhöhe umfassten und deren Opferzahl bisher so nie gekannte Ausmaße annahm.
Es war also eine Art von Marxscher Re-Expropriation, die nunmehr ausschließlich den frühen Enteignern zugute kommen sollte, um den erwarteten Zusammenbruch abzufedern und die Zukunft zu versüßen. Der Plan weist angesichts des Zieles und der damaligen Lage durchaus eine gewisse Schlüssigkeit auf: Gorbatschow hätte kaum gegen die alteingesessenen Kader insgesamt vorgehen können, wenn er das Ruder des Staatschiffes so weit herumreißen und so viele „Errungenschaften" gleichsam über Nacht preisgeben wollte.
Es wäre zudem auch völlig unmöglich gewesen, sich auf oppositionelle Kräfte aus dem unmittelbar noch bestehenden machtpolitischen Milieu berufen zu können, da ihre Zahl zwar groß, aber ihre politische Erfahrung in Sachen Menschenführung denkbar gering war und die sich zudem überwiegend aus dem kulturellen Milieu rekrutierte. Diese Schicht wäre für die Aufgaben einer neu ausgerichteten staatlichen Ausformung kaum geeignet gewesen, wie sich dies am Beispiel des tschechischen Dramatikers Vaclav Havel zeigte, der selbst in der weithin repräsentativ ausgeübten Stellung eines Präsidenten nur gerade einigermaßen hinreichend zu reüssieren vermochte.
Auch Personen aus dem oppositionellen Arbeiterstand wären nicht dazu in der Lage gewesen, wie es die Person des „Arbeiterführers" Lech Walesa anzeigte, der zwar mit dem durchaus getreulichen Angesicht eines Arbeitsmannes von Fabrik zu Fabrik zu den Streikwilligen geführt wurde, der aber vermutlich keine einzigen Schritt ohne das hochkarätig geschulte Priestertum des politischen Katholizismus Polens zu tun vermochte und der schließlich nach der Wende still in Danzig wieder eintauchte, um heute nur den wacheren Deutschen vermutlich allein wg. seiner ungeheuerlichen atomaren Drohungsgeste gegenüber uns in Erinnerung geblieben sein dürfte.
Setzt man freilich das Missverhältnis zwischen Aufarbeitung der Vergangenheit und den Verbrechen der kommunistischen Elite nach der Wende in Beziehung, so fällt tatsächlich auf, das hier auffällig wenig geschehen ist.
Man denke nur in der Bundesrepublik an den unlängst verstorbenen MfS-General Markus Wolf, der nach seiner Entmachtung nicht nur fortwährend vor den surrenden Kameras treuherzig verklärte Episoden ausbreitete und zudem zahlreiche Entlastungsbücher verfassen konnte, aber just in den späten 80iger Jahren aus dem offiziellen Geschehen ausgetreten war, um sich rechtzeitig zum Wendezeitpunkt vor dem aufgebrachten Volk als „Retter der Errungenschaften" im Ostteil der Hauptstadt zu empfehlen.
Dass er, ebenso wie sein Herkunftsgenosse Schalck-Golodkowski weithin unbehelligt und von Haft verschont blieb, spricht ebenso für Pozgais These wie die verweigerte Restitution der SBZ- Enteigneten und anderer Eigentumsgeschädigter. Nur, die Dulder und Handlanger waren hier nicht die vormaligen Spitzenfunktionäre der SED, sondern die a priori „kapitalistische Führungsschicht" Westdeutschlands unter Kanzler Kohl, die sich alsbald an den ersten Schnittstellen der Begegnung mit dem SED-Klüngel arrangierte, wie dies in besonders markanter Weise in dem bei Berlin gelegenen Strausberg geschah. Dort war das DDR-Ministerium für Nationale Verteidigung, deren Generäle unter der Regie des kurzzeitig zum Verteidigungsminister avancierten Pfarrers Eppelmann die Gründerzeitvillen für Spottpreise käuflich erwerben konnten...
Wenn es denn tatsächlich einen „Masterplan", wie der Autor schreibt, gegeben haben soll, dann wären wohl die Anfänge bei Andropow zu suchen, der als langjähriger KGB-Chef vermutlich beste Kenntnisse über Hinter- und Abgründe der inneren und äußeren Sphären der Weltpolitik besaß.
Als er ab 1983 die Parteiführung an sich zog, müsste er von dieser neuen Mission bereits erfüllt gewesen sein. Auch wenn sich nach seinem raschen Tod (es gab kurzzeitig umlaufende Gerüchte, die seine Ermordung nicht ausschlossen) mit Tschernenko ein Zwischenwesen aus der Breschnew-Ära einschieben konnte, so wird nach dessen Tod, dreizehn Monate später, Gorbatschow an die Front der Hauptkampflinie genötigt.
Ein bislang weithin Unbekannter auch in der damaligen Sowjetunion, der erst durch seine ausländischen Besuche in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit rückte (gerückt wurde?).
Auswärtigen Segen erhielt er nämlich augenblicklich bei seinen ersten Kontakten in London und Washington. Bei seiner Aufwartung in der Londoner City erbat er sich vor den Häuptern der Hochfinanz „vier Jahre Zeit", um die SU politisch und wirtschaftlich umzukrempeln. Seine Binde- und Lösewörter hießen damals „Glasnost" und „Perestroika".
Diese avisierte Wende interessierte natürlich gleichermaßen auch die US-Amerikaner, die laut Pozsgai schon vorab durch „punktuelle Zusammenarbeit zwischen KGB und CIA" gegeben gewesen sei. So habe bereits 1984, weiß Autor Pozsgai, der „damalige amerikanische Vizepräsident und spätere Präsident George Bush (sen.)" gewusst, „dass nach Tschernenko der neue Kremlchef Michael Gorbatschow heißen würde".
Als Quelle führt er den damals einflussreichen Botschafter der UdSSR bei den atomaren Abrüstungsverhandlungen Victor Israeljan an, der von Vizepräsident George Bush (sen.) gebeten worden war, zwischen ihm und dem damals noch völlig unbekannten Gorbatschow ein Treffen zu organisieren. Als Israeljan Verwunderung äußerte, habe Bush wie selbstverständlich erläutert: „Das ist euer nächster Staatschef".
Gegenüber dem ungarischen Reformpolitiker Imre Pozsgay äußerte Bush: „Wir werden mit Herrn Gorbatschow gemeinsam deklarieren, dass Mitteleuropa nun ein selbstständiger politischer Bewegungsraum geworden ist". Der war zunächst sprachlos und glaubte an einen Hörfehler, doch dieser politische Neuling musste wohl wie viele andere Interessierte alsbald wahrnehmen, dass auf diesem Feld die Bandbreite der Möglichkeiten unauslotbar vielfältig aufscheinen kann.
Der Autor, offensichtlich ein geschädigtes Opfer kommunistischer Willkür und dem katholischen Umfeld Otto von Habsburgs und seinen paneuropäischen Gedankengängen nahe, lässt noch einmal die Phasen der kommunistischen Machtübernahme seit 1917 Revue passieren.
Dabei erläutert er schlüssig das eigentlich banale Grundmuster der Revolution von 1917: rigorose Ausschaltung der Oberschicht durch physische Vernichtung, Inhaftierung und Austreibung, unnachsichtige Kaderpolitik und ständige, häufig auch nur prophylaktische Terrormaßnahmen gegen vermutete oder tatsächliche politische Gegner mit einer fanatischen, jedenfalls geradezu irrationalen Konsequenz, wie sie historisch nur aus der Inquisitionszeit bekannt geworden ist.
Die Frage nach dem tieferen Zweck solcher Generalliquidierungen bleibt freilich offen. Schwächte sie doch mit jedem Genickschuss, mit jeder Deportation die Volkskraft und damit die potentielle militärische und weltrevolutionäre Gestaltungskraft insgesamt. Bei Stalin, dunkler und unklarer georgisch-, ossetisch-, dschugetischer Herkunft, wurde mitunter angeführt, es sei der Russenhass der unterdrückten Kaukasier die Triebkraft seiner Vernichtungswut. So etwa während des deutsch- sowjetischen Krieges, als GPU- Offiziere völlig sinnlos Division um Division vor deutsche Maschinengewehre trieb. Doch diese Geschehnisse blieben Mutmaßungen, Annnahmen, sie trafen den Kern nicht.
Selbst den ideologisch besessenen Gegnern des zarischen Regimes um Lenin und Trotzki dürfte deutlich gewesen sein, dass mit der Vernichtung der Oberschicht nicht wie von selbst sich der „neue Menschentypus" aus der Unterschicht rekrutiert, sondern nur in einem lange währenden Formungsprozess entstehen kann. Lenin revidierte bereits um 1901 Marx grundlegend: Die Arbeiterschaft könne ihre Interessen weder vertreten noch durchsetzen. Er schrieb in „Was tun?": „Das sozialistische Bewusstsein ist etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes..."
Bekanntlich ist dieser neue Typus nie entstanden und die beispielsweise herausragenden Exemplare deutscher Provenienz, wie sie sich in den Personen von Ulbricht, Honecker oder Mielke ausformten, belegen dies auf kaum noch besser belegbare Weise. Womit freilich nicht gesagt sein soll, um im Lande zu bleiben, dass sich andere, aber ebenfalls besonders Seinsvergessene Führungsschichten ausschließlich aus kommunistischen Elixieren nähren müssten, um analoge Erscheinungen hervor zu bringen...
In seinem historischen Exkurs bezeichnet Pozsgai die Franzosen als die eigentlichen Gewinner des Ersten Weltkrieges, weil sie den Panslavismus gegen den „Pangermanismus" auszuspielen vermochten. Vorsichtshalber setzt er auch in seinem Buch den „Pangermanismus" gleich in Anführungsstriche. Offenbar weil er weiß, dass es diese Art von Germanismus nur in schwachen Ansätzen bei den „Alldeutschen" gab, die bekanntlich nur sehr geringen politischen Einfluss aufzuweisen vermochten, ansonsten aber nur als propagandistische These der Entente umlief. Dem stehen auch die von Kaiser Karl an Berlin vorbei geführten Kontakte zu den Ententemächten entgegen, die nahezu ausschließlich auf Rettungsversuche des Hauses Habsburg aus waren, aber kaum großdeutschen Aspirationen folgten.
Zudem feierte Frankreich zwar Triumphe als Sieger, aber die eigentlich entscheidend neue Weltmacht, die die nunmehr bei der Wallstreet hoch verschuldete bisherige Weltmacht Großbritannien bereits schwer angeschlagen weit hinter sich ließ, hieß jetzt USA.
Zuzustimmen ist Pozsgais These, wonach Frankreich nach 1918 entscheidenden Anteil an der Neuaufteilung Mittel- und Osteuropas hatte. Sein besonderes Augenmerk richtet er dabei auf das verhängnisvolle Treiben der Handlanger Benesch und Masaryk. Sie waren es, die nicht nur Deutsche, sondern auch Ungarn, Slowaken und Ruthen drangsalierten und rigide unter das tschechische Diktat zu bringen wussten.
Der Autor zitiert Otto von Habsburg über die Problematik der Vertreibung der Deutschen mit der Feststellung: „Soweit ich auf Grund meiner Erfahrungen feststellen konnte, war diese Unheil verkündende Vorstellung anfangs allein und ausschließlich das Werk von Eduard Benesch". Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass die Thesen dieses Mannes mit seinen verhängnisvollen Vertreibungsdekreten nicht nur in Prag weiterhin fort gelten.
Ganz gewiss ist dieser tschechische Politiker dabei auch gewissen politischen Gedankengängen und Phantastereien über weltrepublikanische Zielvorstellungen gefolgt, wie sie bereits Thomas Mann im Vorwort seiner „Betrachtungen eines Unpolitischen" angeführt und verworfen hat.
Gerade diese ethnische Vielfalt Europas, die nach 1918 noch einmal mit all ihren Verwerfungen und Kraftfeldern machtvoll aufschien, und in der auch die Stärke und die Einzigartigkeit für die Gegenwart und die Zukunft unseres Kontinents liegt, wurden nach dem Zweiten Durchgang aber weder von der Sowjetunion noch von den USA gewürdigt, sondern gleichsam in einen einzigen machtpolitischen Einflusstrichter gezwängt. Ob damals dahinter schon die fixe Idee von der „One -World", wie sie in der Atlantik- Charta geistert, bei diesen Teilungen mitschwangen, bleibt Vermutungen überlassen.
Denkbar aber scheinen durchaus gezielte Teilungen auf, die zur Folge hatten, dass alle anderen (kleinere und schwächere) Staaten den beiden nach 1945 auftauchenden Hauptmächten USA und SU jeweils untergeordnet blieben, bis das östliche „Experimentierfeld" aufgelöst und dem verbliebenen westlichen Machtfeld auf dem Wege zu dieser einen Welt zugeordnet wird. Zum Glück funktionieren solche globalen Spielwiesen nicht, auch deswegen, weil die menschliche Natur weithin unverändert auf individuelle Selbstbestimmung aus ist, die nur durch eine politische im Sinne ethnischer und kultureller Zugehörigkeit sinnvoll zu verwirklichen ist.
Ob solche Einsichten letzten Endes die Moskowiter bestimmt haben, vom „sozialistische Experimentierfeld" abzulassen und sich wieder den tatsächlichen Erfordernissen des russischen Volkes und der ihnen assoziierten Völker zuzuwenden, bleibt weiterhin unbeantwortet.
Sicher scheint, dass das Problem der kommunistischen Führungsschicht bei einem Machtwechsel höchste Aufmerksamkeit abverlangte; schließlich scheitern die meisten Palastrevolutionen daran, dass die alte Führungsriege sich häufig noch unbeachtet gebliebener Bataillone und illoyaler Verschwörer versichern kann.
Insofern liefert Joseph Pozsgai mit seinem Beitrag einen wichtigen Baustein für die immer noch weithin rätselhaften Geschehnisse um 1989. Dabei weiß er mit kundigen Rückgriffen auf die furiosen Machtinstallierungen in der kommunistischen Hemisphäre das Bild so zu runden, dass der entscheidende Strang der machtpolitischen Umwälzungen deutlicher als bisher hervortritt. Es muss aber weiterhin offen bleiben, ob Moskau damals mit der Preisgabe des mittel- und osteuropäischen Vorfeldes und seines eigenen militärischen Potentials eine Reverenz an die „One- World" wagte, wie es unter Jelzin teilweise den Anschein erweckte, oder ob es ein nationales Purgatorium war, das alles über Bord gab, was nicht unmittelbar zum Kernland gehörte, wie es der inzwischen zu Tode gekommenen General Lebed teilweise favorisierte oder schließlich ein Improvisieren, wie es die Augenblicke mit ihren Konstellationen jeweils eingaben...
Angesichts schwierigster wirtschaftlicher, finanzieller und energetischer Probleme (um die grundsätzlich politischen hier unerwähnt zu lassen) gilt für unsere außenpolitische Ausrichtung nur weiterhin das Vermächtnis Friedrich des Großen, dass wir mit den benachbarten Russen auskommen müssen. So oder so.
Peter Fischer
Der Rezensent ist Autor des Buches „Kirche und Christen in der DDR" und des unlängst veröffentlichen Romans „Der Schein", Ludwigsfelder Verlagshaus, der eine Jugend im geteilten Deutschland zum Thema hat.