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Schwarzbuch

Leserbrief zu "Hoffnung der Enteigneten" von Reinhard Müller , FAZ vom 10.10.2009,,....nicht veröffentlicht---von Dr. Wasmuth


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Es ist begrüßenswert, daß die FAZ Überlegungen der künftigen Bundesregierung zu einer Verfolgungsaktion aufgreift, die nach kommunistischem Sprachgebrauch weiterhin als „Bodenreform“ idealisiert wird. Die so bezeichnete, stalinistisch geprägte Verfolgung tausender unschuldiger Menschen war jedoch weder eine Bodenreform noch eine „Enteignung.“ Mit ihr hat die KPD/SED vielmehr die systematische Kaltstellung und Entrechtung der Betroffenen unter dem Vorwand betrieben, sie seien als schwerstkriminelle Kriegs- und Naziverbrecher schuldig. Diese willkürliche, auf die Ideologie des kommunistischen Antifaschismus gestützte Form der mißbräuchlich betriebenen Entnazifizierung hatte zwar auch zur Folge, daß die Verfolgten ihr Betriebs- und Privatvermögen verloren haben. Sie wurden aber auch brutal vertrieben, häufig auf Viehwagen in bereits vom NS-Regime errichtete Konzentrationslager transportiert, was viele nicht überlebt haben. Andere wurden gleich mutwillig erschossen oder nach jahrelanger Internierung erneut von Willkürrichtern in Waldheim abgeurteilt. Des weiteren wurde ihnen und ihren Familien die Berufsausübung untersagt sowie das aktive und passive Wahlrecht aberkannt. Sie wurden registriert und - unter Erzeugung einer offenen Pogromstimmung - öffentlich getadelt.

Derartige Verfolgungsmaßnahmen stellen keine bloßen „Enteignungen“ dar, sondern waren nach dem Rechtsverständnis in der SBZ eine spezifische Strafverfolgung besonders gefährlicher Kriegs- und Naziverbrecher, zu denen die Kommunisten den „Klassenfeind“ im „härtesten Abwehrkampf der Arbeiterklasse“ stilisiert hatten. Dies hat nicht nur die Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR ausgesprochen, sondern ergibt sich auch aus der Gesamtschau der Bodenreformvorschriften und der damit verfolgten Zwecke. Diese Umstände sind freilich bislang weder von der zeithistorischen Forschung oder dem Interessenverband der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen unter Albrecht Wendenburg noch - und dies ist im Rechtsstaat nach 20 Jahren seit der politischen Wende in der DDR unverzeihlich - von den strafrechtlichen Rehabilitierungsgerichten aufgearbeitet worden.

Betriebsinhaber mit Höfen unter 100 ha wurden nach Strafvorschriften in den Ausführungsbestimmungen zu den Bodenreformverordnungen von Landesbodenkommissionen als Nazi- und Kriegsverbrecher schuldig gesprochen. Die Schuld der Betriebsinhaber mit Gütern über 100 ha wurde dagegen in den Bodenreformverordnungen vermutet. Ihnen wurden dabei keine einzelnen Handlungen, sondern die Mitgliedschaft in der Bande der „feudal junkerlichen Großgrundbesitzer“ zum Vorwurf gemacht. Einen derartigen Typ von Straftatbeständen kennt auch das bundesdeutsche Strafgesetzbuch etwa in der Form der Mitgliedschaft in einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung. Lediglich in einigen Ländern der SBZ hatten die Betroffenen die Möglichkeit, ihre Unschuld durch den Nachweis zu belegen, aktiv gegen den Hitlerstaat gekämpft zu haben. Der spezifische Strafzweck der sog. „Bodenreform“ ergibt sich daraus, daß sie - im Gegensatz zu anderslautenden Plänen deutscher Kommunisten im Moskauer Exil - von Stalin als Repressionsmaßnahme angeordnet war, daß sie auf das Potsdamer Abkommen gestützt wurde, das gegenüber Zivilisten eine Eigentumsentziehung u.a. nur zuließ, wenn sie Nazi- und Kriegsverbrecher waren, daß Zweck des sozialistischen Strafrechts nicht der Rechtsgüterschutz, sondern die Abrechnung mit dem Klassenfeind war, und daß die Landesbodenreformkommissionen durch den SMAD-Befehl Nr. 201 und die dazu erlassene Ausführungsbestimmung Nr. 3 ausdrücklich den zur Entnazifizierung eingesetzen Strafsondergesetzen gleichgestellt wurden. Damit wurden diese als Repressionsorgane tätig und haben ebenso wie diese Gerichte unter Mißachtung aller rechtsstaatlichen Garantien Strafverfahren durchgeführt. Die vergleichbare Verfolgung im Rahmen der sog. Industriereform, die mit den als Straftatbeständen erlassenen Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid einsetzte, läßt den Strafcharakter der Verfolgung noch plastischer werden. Dazu liegt auch bereits eine Untersuchung vor, die daran keinen Zweifel zuläßt.

Deshalb werden die Verfolgungsakte der „Bodenreform“ nicht von Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung erfaßt, wonach „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig gemacht“ werden. Dazu zählen vielmehr die in der SBZ durchgeführten „Enteignungen“ u.a. von Banken und Versicherungen oder von Energieunternehmen und Bergwerken. Die Verfolgung der Bodenreformopfer fällt dagegen regelmäßig unter Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung. Danach hat sich die DDR zu ihrer strafrechtlichen Rehabilitierung verpflichtet. Darauf gestützt sieht das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz seit 1992 die Rehabilitierung dieser Verfolgungsvorgänge in der SBZ vor, auch soweit mit ihnen vermögensrechtliche Folgen verbunden waren.

Die Aufarbeitung der „Bodenreform“ ist daher keine Aufgabe des Gesetzgebers mehr. Daß die Verfolgungsvorgänge noch immer nicht aufgearbeitet sind, ist vielmehr auf die Rechtsprechung zurückzuführen, die es bis heute versäumt hat, den tatsächlichen Verfolgungszusammenhang zu ermitteln und die statt dessen schwerstes kommunistisches Unrecht maßgeblich verharmlost und als „Enteignungen“ kleingeredet. Dies war in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR niemandem vorzuhalten, weil das Wissen um die Unrechtsvorgänge zunächst durch die kommunistische Propaganda geprägt war, die sie als „Bodenreform“ verherrlicht hatte. Tatsächlich jedoch ging es primär um eine mit brutalen Mitteln repressiven Terrors durchgesetzte Entrechtung von als Nazi- und Kriegsverbrechern für vogelfrei erklärten Menschen. Im übrigen diente die Verteilung von Bodenflächen an landarme Bauern und Flüchtlingen nur dazu, diese auf die Seite des Regimes zu ziehen. Daß aber nie daran gedacht war, ihnen das Land zu belassen, belegt die seit 1952 betriebene Zwangskollektivierung. Heute jedoch darf die kommunistische Propaganda kein Grund mehr sein, das kriminalstrafrechtliche Verfolgungsunrecht der Kommunisten und die mit ihr einhergehende vollständige Entrechtung weiterhin in Abrede zu stellen. Hier haben sämtliche strafrechtliche Rehabilitierungsgerichte noch Grundlegendes zu leisten. Ein weiteres Nichtzurkenntnisnehmen des kommunistischen Unrechts, das sich in geradezu beschämender Weise auch bei anderen Verfolgungsmaßnahmen des SED-Regimes wie ein roter Faden durch die Rechtsprechung dieser Gerichte zieht, darf nicht länger hingenommen werden. Das offene Versagen der bundesdeutschen Justiz bei der Aufarbeitung des NS-Unrechts ist schon schlimm genug.

Sogar wirtschaftliche Gründe fordern diese Aufarbeitung. Während vor der „Bodenreform“ im Gebiet der SBZ nur kleinere bis mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe bestanden (die maßgeblichen Großbetriebe lagen weiter östlich), sind in den vergangenen 20 Jahren LPG-Nachfolgeunternehmen mit einer Durchschnittsgröße von über 1.000 ha entstanden. Dazu haben vor allem ehemalige SED-Kader durch Bilanzmanipulationen und andere unlautere Machenschaften mehr als 80 % der 1989 noch berechtigten LPG-Mitglieder aus den Betrieben gedrängt. Insbesondere Betriebe mit Viehwirtschaft und Flächen von bis zu 5.000 ha, die es 1945 nicht gegeben hat, lassen sich nicht wirtschaftlich betreiben. Sie überleben nur, weil sie von außerordentlichen Förderungen und Subventionen und damit von Steuerleistungen profitieren. Der Rechtsstaat aber gibt sich auf, wenn er weiter an der Lebenslüge des SED-Regimes im Bereich der Landwirtschaft festhält, das damit verbundene Unrecht perpetuiert und all dies auch noch aus Steuermitteln finanziert.

Rechtsanwalt

Dr. Johannes Wasmuth

Kobellstraße 11

80336 München