"02.September 1945 - ein Gedenktag, der Aufbruch fordert" / M.Graf von Schwerin, Junge Freiheit
2. September 1945 –ein Gedenktag, der Aufbruch fordert.
29.08.2010
Als am 2.September 1945 im düsteren Saal des Gasthofs „Zum Adler“ im malerischen Prignitz-.Städtchen Kyritz der KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck die „Demokratische Bodenreform“ verkündete, war dies schon fast ein Endpunkt der Verfolgung und Vertreibung der ersten Gruppe der und von den Kommunisten besonders gefürchteten Feinde, der von ihnen so genannten „Junker und Feudalherren“.
Grauenhaftes erdulden mussten besonders Landwirte und Großbauern. Unzählige wurden direkt beim Einrücken der Sowjetarmee oder kurz danach mit ihren Familien schlimmsten Repressalien ausgeliefert. Sofern sie nicht in letzter Stunde fliehen konnten, drohte ihnen, häufig durch Neid und Denunziation seitens deutscher Täter ausgelöst, Verfolgung in der Verantwortung der Kommunisten,
Misshandlung und oft genug der Tod durch Verhungern oder Krankheit in einem der elf stalinistischen Lager, in Fünfeichen oder Bautzen, Buchenwald, Mühlberg Torgau usw.
Was Stalins erster Statthalter für die Sowjetisierung des damaligen Mitteldeutschland in Kyritz auf den Weg brachte, war daher aus der Sicht der Kommunisten eine Art „Endlösung“ im Klassenkampf vor allem auf dem Lande. Schon am 11.Juni 1945 hatte sich die KPD in einem Aufruf für die Enteignung des „Großgrundbesitzes“ ausgesprochen, dies aber noch mit der Landbeschaffung für landarme Bauern und Vertriebene („Umsiedler“ ) begründet, vor allem wohl, um die Zustimmung der anderen „antifaschistischen Parteien“ zu erhalten.- In der Rede Piecks aber wird das Ziel der Umwälzung auf dem Lande deutlicher: „ Unschädlich machen“ heißt es daher gleich mehrfach, wenn verallgemeinernd gegen „ Junker, Kriegstreiber, Kriegsschuldige “ gehetzt wird und - so wörtlich- von „Verbrechergesindel“ die Rede ist, mit dem nun „abzurechnen“ sei. „Rottet dieses Unkraut aus“, so forderte es bald danach ein großes Propagandaplakat.
Allerdings kann der KPD-Vorsitzende und spätere „ Präsident des ersten Arbeiter- und Bauernstaates in der deutschen Geschichte“ in Kyritz nicht nur die -doch zahlenmäßig eher wenigen- noch zu Hause überlebenden Gutsbesitzer gemeint haben, wenn er als Scharfmacher behauptete, „In jedem Dorf, in jeder Gemeinde sitzt noch ein eine ganze Anzahl von ihnen...“ und weiter „ ...wir dürfen ihnen keine Gelegenheit geben,... ihre Organisationen, Gruppen oder Verbände wieder aufzubauen... Jeder einzelne muss die größte Aufmerksamkeit auf dieses Verbrechergesindel richten ...“ Es ging Pieck, Ulbricht und der KPD-Leitung schon hier um die Ausschaltung und Liquidierung aller derer, die dem Ziel der „großen gesellschaftlichen Umgestaltung“ hätten im Wege stehen können.
Die „Umsetzung“ im Geist von Kyritz erfolgte prompt: „Schnellste Durchführung“ hatte Pieck in seiner Propagandarede angekündigt. So wurde schon drei Wochen später, am 23.September , nahe Kyritz auf dem Gut Plänitz mit angereisten Kommunistenführern vor der Dorfbewohnern die Konfiskation gefeiert und eine Neuverteilung des Landes mit Besitz-Urkunden für die neuen Siedler vorgeführt. -Bekanntlich geschah dies aber nur acht Jahre vor der Zwangskollektivierung der DDR-Landwirtschaft. Die so verharmlosend und beschönigend als “Demokratische Bodenreform“ getarnte Landwegnahme war also schnell entlarvt. Aber die Auswirkungen wirken vielfach nach:
Ein Beispiel sind die Abertausenden von Neusiedlern. Deren 1945 entstandene Eigentums-Sekundärrechte waren ihnen von den 1945 vertriebenen „Alteigentümern“ mit ihren Eigentums -Primärrechten nie streitig gemacht worden. Unzähligen von ihnen wurden aber nicht nur zur DDR-Zeit , sondern -horribile dictu- besonders nach der friedlichen Revolution von 1989 / 1990 ihre Siedlerstellen vom „Rechtsstaat Bundesrepublik“ entschädigungslos weggenommen.
Wenn dennoch bis heute, 65 Jahre nach dem „ Tag von Kyritz “ und im 20. Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung von interessierter politischer Seite die „Bodenreform“ als besonderer Pluspunkt in der Nachkriegsgeschichte herausgestellt wird , so ist dies mehr als nur die Missachtung des Schicksals Tausender unschuldiger Opfer, wie sie in Totenlisten der Lager stehen oder aus den für die Aufarbeitung gesammelten Zeitzeugnissen und Beweisdokumenten zu ersehen sind. Schliesslich wurden die meisten von ihnen Opfer einer Verfolgung unter schwersten und völlig unberechtigten Strafvorwürfen. Ihr „Verbrechen“ war die Zugehörigkeit zur „feindlichen Klasse“.
Nachdem inzwischen die Forschungsergebnisse von Historikern wie Rechts- und Politikwissenschaftlern, vor allem auch in jüngster Zeit immer deutlicher den Strafverfolgungs-Charakter der Maßnahmen nach 1945 nachgewiesen und herausgestellt haben- es geht also gar nicht mehr „ nur“ um Enteignungen- kann das offenbar „politisch nicht Gewollte“ , also die Beibehaltung von Strafen und deren strafrechtliche Folgen als schweres Unrechts nicht länger von Politik und Gerichten betrieben bzw. hingenommen werden. Und: was viele nicht wussten: die vorhandenen Gesetze gebieten die rechtsstaatliche Aufarbeitung, es bedarf gar keiner neuen Regelungen, denn diese werden bis heute, weil Klärung als unerwünscht gilt, durch falsche Anwendung ausgehebelt.
Auch angesichts der zu erwartenden Entwicklung darf die inzwischen gelegentlich sogar zunehmende Schönfärberei der Ereignisse zum Zwecke der Relativierung der SED-Diktatur im Gefolge stalinistischen Terrors nicht nur von den Betroffenen und ihren Nachkommen schweigend mit angesehen und länger geduldet werden. Es ist an der Zeit, deutlicher Front zu machen gegen die Tendenz zur Weichspülung der SED-Diktatur und deren Fortwirkung, abzulesen gesellschaftlich und wirtschaftlich an der Beseitigung der bürgerlichen Schicht und des Mittelstandes. Ernsthaft und ohne Tabu muss auch die Frage gestellt werden, welche Konsequenzen z.B. die Zementierung der nach 1990 im ländlichen Raum der jungen Länder weiter bestehenden Agrar- und damit Einflussstrukturen nach sich zieht.
Insofern sollte und kann die Erinnerung an 1945 ein neues Signal auslösen für ganz Deutschland: endlich mit der echten Würdigung der Verfolgungen aller Opfer kommunistischen Klassenkampfes zu beginnen und die gebotenen, aber bis heute meist verweigerte Rehabilitierung der Benachteiligten konkret ins Werk zu setzen. Ein großes Stück des Weges hin zu Rechtsfrieden und Aufbau Ost kann so bewältigt werden.
Manfred Graf v. Schwerin
ist Bundesvorsitzender der „Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum -ARE“