von Dr. Kuchs: Unrecht – vorgeschoben als „ Gerechtigkeit“- 04.06.2012
Zum bis heute fortwirkenden SED/DDR- Unrecht:
Unrecht – vorgeschoben als „ Gerechtigkeit“
Von Dr. Werner Kuchs, Kirchheim unter Teck
Strukturwandel ohne Ende. So lässt sich die Entwicklung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges umschreiben. Für die Landwirtschaft, die Bauern, die Dörfer, den ganzen ländlichen Raum hatte dies tiefgreifende Folgen. Ging es zunächst um eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion, die Überwindung der Hungerjahre, begann ab 1950 im Westen Deutschlands mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Strukturwandel. Verdienstmöglichkeiten und Arbeitszeit außerhalb der Landwirtschaft wurden lukrativ. Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe hatten keine Nachfolger mehr, wurden aufgegeben, zu Nebenerwerbsbetrieben, das Land verpachtet.
Mit der Gründung der EWG in 1957 mit dem Vertrag von Rom begann die Europäische Agrarpolitik – neben der Montanunion, Kohle und Stahl.
Im Osten Deutschlands folgten in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) unter Stalin viele tausende Enteignungen, die ab 1949 auch in der DDR bis 1989 fortgesetzt wurden. Unternehmerische Initiativen wurden verdrängt, das Kollektiv stand im Mittelpunkt.
Mit dem LPG-Gesetz von 1952 begann in der Landwirtschaft ein Strukturwandel hin zur Kollektivwirtschaft des Arbeiter- und Bauernstaates, der 1960 mit der Zwangskollektivierung einen traurigen Höhepunkt erlebte.
Mit dem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch des gesamten Sowjetimperiums in 1989 war auch für die DDR das Ende gekommen. Die DDR war auch international weit überschuldet, die Produktionseinrichtungen der Betriebe überwiegend abgewirtschaftet. Die Mangelwirtschaft beschränkte sich nicht auf die Konsumgüter.
Das LPG-Gesetz endete 1991. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz sollte freie marktwirtschaftliche unternehmerische Verhältnisse ermöglichen.
Auf diesem Wege wurden viele LPGs in eingetragene Genossenschaften umgewandelt. Einzelunternehmer hatten es schwer, einen Neuanfang zu realisieren. Diese Schwierigkeiten setzen sich bis heute fort. Die Prägung der Menschen, ihre Mentalität, nach 40 Jahren DDR hat auf allen staatlichen Ebenen tiefe mentale Spuren hinterlassen. Einzelunternehmern begegnen immer wieder gravierende Benachteiligungen, Ungerechtigkeiten.
Auch unter entscheidendem Einfluss des Deutschen Bauernverbandes und des Deutschen Raiffeisenverbandes wurden in der Europäischen Union tiefgreifende Ungerechtigkeiten über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) umgesetzt.
Sicher sind auch die Agrargenossenschaften eine durchaus brauchbare Rechtsform – neben Einzelunternehmen, GbR, GmbH –, wenn verantwortungsbewusste, gerechte Agrarpolitik praktiziert wird, und nicht zur offenen groben Benachteiligung, wie bis 2013 durch die gegenwärtige GAP, der Einzelunternehmen, bäuerlichen Familienbetriebe führt.
Dabei sollen die Direktzahlungen der I. Säule nach der GAP die Einkommensverhältnisse der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen verbessern. Tatsache ist jedoch, dass seit 2001 für die in einer Agrargenossenschaft arbeitenden Menschen 15.000 – 50.000 EUR, ja bis zu 100.000 EUR, je Arbeitskraft im Jahr an die Genossenschaften gezahlt wird, obgleich die dortigen gezahlten Löhne wesentlich niedriger sind. Schon dies ist ungerecht.
Dabei haben die Agrarkapitalgesellschaften – eG/GmbH, LPG-Betriebe – in 1990 das Eigenkapital der LPG-Bauern übernommen, ohne dieses ihnen nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) ordnungsgemäß, gesetzeskonform zuzuordnen oder auszuzahlen. So setzen sich die Folgen der Zwangskollektivierung von 1960 fort.
Mit diesem Vermögen der ausgeschiedenen einstigen LPG-Bauern arbeiten die Agrargenossenschaften auch heute noch immer.
Eigentümer – Genossen – der eG sind meist nur wenige, die sich am LPG-Vermögen bereichern.
Die bäuerlichen Familienbetriebe, die Unternehmer, die aktiven Landwirte, die auch das Investitionsrisiko persönlich tragen, ihren Arbeitsplatz selbst finanzieren, erhalten oft weniger als 5.000 EUR je Arbeitskraft (AK) im Jahr, selten mehr als 10.000 EUR (jeweils bei angenommenen 300/ha).
Ein Betrieb mit 100 ha, 80 GVE, 3 AK erhält etwa 30.000 EUR, also 10.000 EUR je AK, bei 4 AK 7.500 EUR/AK/Jahr.
Bei 50 ha, 60 GVE, 2 AK ebenso: 7.500 EUR je AK, bei 80 GVE und
3 AK 5.000 EUR/AK/Jahr.
Die Agrargenossenschaft/eG mit 2 500 ha, 2000 GVE, 60 AK erhält 750.000 EUR, je AK rund 13.000 EUR im Jahr, bei nur 1000 GVE und 30 AK gibt dies rund
25.000 EUR je AK im Jahr.
Der 1000-ha-Betrieb mit 200 GVE, 20 AK, erhält 15.000 EUR/AK/Jahr, ohne Viehhaltung und 4 AK gibt es 75.000 EUR/AK/Jahr. Die GAP muss daher künftig die Zahl der im Betrieb erforderlichen beschäftigte Zahl der Arbeitskräfte berücksichtigen, ohne etwa Personalkosten/Löhne anzurechnen. Die Fläche/ha allein war nie ein brauchbarer Maßstab zur Berechnung des Anspruchs nach der GAP. Die Anzahl der beschäftigten notwendigen Arbeitskräfte war schon immer ein besserer Bemessungsmaßstab gewesen, wobei es sicher auf die tatsächlich notwendigen Arbeitskräfte ankommt, um mögliche Scheinbeschäftigte auszuschließen.
Wenn auch heute noch der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband sowie ihre Landesverbände in 2012 die seitherige ungerechte GAP befürworten und sich für ihre Erhaltung einsetzen, wenden sie sich gleichzeitig, wenn auch unausgesprochen – gegen die bäuerlichen Familienbetriebe in Ost und West, denn ab 2014 werden in Folge der Neuverteilung der GAP-Mittel auch auf die osteuropäischen EU-Länder, die bäuerlichen Familienbetriebe in West, neben denen im Osten, eine Kürzung dieser Einkommensstütze hinnehmen müssen.
Eine Kürzung der Direktzahlungen aus der I. Säule der GAP ist daher gerechterweise zunächst dort und bei jenen Betrieben vorzunehmen, die nachweislich seit mehr als 10 Jahren eine weit überdurchschnittliche Zahlung je AK erhalten haben. Dies sind im Wesentlichen die Agrarkapitalgesellschaften, Genossenschaften und GmbHs, die als LPG-Nachfolgebetriebe im Beitrittsgebiet ansässig sind. Nachdem zunehmend mehr solche Agrarkapitalgesellschaften von nichtlandwirtschaftlichen Kapitalgebern, Monopolen, Oligopolen, Hedgefonds, zweifelhaften Kapitalgesellschaften und solchen Tochtergesellschaften beherrscht, aufgekauft werden, ist eine Prüfung der Bedürftigkeit unter Einbeziehung der Kapitaleigner unerlässlich. Eine Beschränkung der GAP-Mittel auf die aktiven Landwirte, die bäuerlichen Familienbetriebe, bäuerlichen Unternehmer und Ausschluss der Agrarindustrie und des
–handels, wie Baywa AG, Ha-GeNord, RWE, Chemierize Bayer, KTG Agrar AG, und einiger weniger bekannter (Agrar-) Industrieller und ihrer „Tochtergesellschaften“ ist unerlässlich. Der Bedarfsnachweis muss in all diesen Fällen auch den Kapitaleigner mit einbeziehen, entsprechend der Bedarfsgemeinschaft bei Hartz IV Empfängern. All diese Verhältnisse wären nicht nur bezogen auf die Mittel der I. Säule der GAP zu prüfen, sondern sind bei den Mrd. Euro der II. Säule ebenso und auch dort von entscheidender Bedeutung.
Schließlich wäre die Zahl der betriebswirtschaftlich notwendigen Arbeitskräfte zu berücksichtigen.
Ganz sicher wäre in jedem Fall ein Bedarfsnachweis der Empfänger zu prüfen, denn auch ein im Hauptberuf gut verdienender Nebenerwerbslandwirt mit vielleicht 50 ha Ackerbau ohne Viehhaltung muss nicht noch 15.000 EUR Direktzahlungen aus der EU-Steuerkasse erhalten.
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