Landverkauf: Eine Milliarde verschleudert?
gedruckte Ausgabe
vom 16.05.2007
Ressort: Politik
Landverkauf: Eine Milliarde verschleudert?
Von Matthias Schlegel
Berlin - Mit einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gegen die Vorstände der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) hat die Auseinandersetzung um die Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen in Ostdeutschland einen weiteren Höhepunkt erreicht. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die am Dienstag über die Anzeige informierte, wirft der BVVG Veruntreuung in Milliardenhöhe beim Verkauf von Acker- und Grünland in den neuen Bundesländern vor.
Die BVVG privatisiert im Auftrag der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben die Flächen. Dabei werden nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz Kaufpreisnachlässe gewährt, wenn es sich bei den Käufern um die Pächter der Flächen handelt. In der Regel werden dadurch die LPG- Nachfolgebetriebe begünstigt. Seit langem werfen Neu- und Wiedereinrichter und andere Inhaber bäuerlicher Betriebe der Politik vor, durch solche und andere Begünstigungen den Wettbewerb in der Landwirtschaft massiv zu verzerren. Die einst in der DDR mit staatlicher Repression erzwungene Großflächenbewirtschaftung im Zuge der „Kollektivierungsmaßnahmen“ werde im Nachhinein sanktioniert.
In der aktuellen Auseinandersetzung wirft die bäuerliche Arbeitsgemeinschaft der BVVG vor, die seit einem Einspruch der EU-Kommission im Jahr 1999 geltende Obergrenze für Kaufpreisnachlässe von 35 Prozent im Vergleich zum Verkehrswert systematisch zu ignorieren. So würden etlichen landwirtschaftlichen Betrieben beim Ankauf von Pachtland Vergünstigungen bis zu 60 Prozent eingeräumt, weil von vornherein die als Maßstab dienenden Wertansätze für die zu verkaufenden Flächen deutlich nach unten gedrückt würden. Außerdem blieben 75 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe von Begünstigungen ausgeschlossen, weil sie nicht Pächter von BVVG-Flächen seien. Bei Hochrechnungen aus den ermittelten Fällen kommt die AbL auf eine Summe von einer Milliarde Euro, die dem Bundeshaushalt an Einnahmen entgangen sei.
Die Arbeitsgemeinschaft beruft sich auf einen internen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes von 2005. Darin werden mehrere Beispiele für unerlaubte Nachlässe durch die BVVG aufgelistet. Außerdem wird die Behörde kritisiert, weil sie bei festgestellten Fehlverkäufen keine Nachforderungen stellte und „regelmäßig“ davon absah, „den Verkehrswert der Flächen durch zulässige und gebotene Ausschreibung am Markt zu ermitteln“.
Der AbL-Bundesvorsitzende, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vizepräsident des Agrarausschusses des EU- Parlaments, sagte, alle Parteien wüssten, dass „da etwas stinkt. Aber sie wollen es nicht mehr anfassen.“ Es sei eine in allen Parteien verankerte Lobby am Werke. Deshalb sei „politisch nichts mehr zu bewegen, sondern nur noch rechtlich“.