Ackerland in MV verscherbelt?
Ackerland in MV verscherbelt?
Die bundeseigene BVVG soll volkseigene Agrarflächen zu billig verkauft haben. Der Schaden belaufe sich auf eine Milliarde Euro, so Benachteiligte. Sie ziehen vor Gericht.
Berlin (OZ) Der Landwirtschaft in MV steht Ärger vor Gericht ins Haus. Beim Verkauf einst volkseigener Ackerflächen durch die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) seien bestimmten Betrieben Vergünstigungen bis zu 60 Prozent unter dem Verkehrswert gewährt worden. Der Schaden für den Bundeshaushalt belaufe sich auf rund eine Milliarde Euro.
Dies behauptet die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die jetzt in Berlin Strafanzeige gegen drei BVVG-Vorstände stellte.
Das Bundesunternehmen habe „jahrelang bewusst eine Misswirtschaft“ zu Ungunsten des Fiskus und vieler bäuerlicher Unternehmen betrieben, sagte AbL-Bundeschef Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf gestern in Berlin. Der Grünen-Politiker, der zugleich im Agrarausschuss des EU-Parlaments sitzt, bedauerte, dass die während der Bodenreform 1946 enteigneten Flächen nach 1990 nicht an die Alteigentümer zurück gegeben werden konnten. Er warf der BVVG vor, durch ungerechte Pachtvergabe und Verkauf nun ein „neues System von Großgrundbesitz“ geschaffen zu haben. Laut Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) ist ein Verkauf von Land 35 Prozent unter dem Verkehrswert nur an ortsansässige Unternehmer möglich, die das Land zuvor gepachtet hatten.
Landwirte aus den alten Ländern oder ostdeutsche Existenzgründer, die Anfang der 90er-Jahre keine Flächen pachten konnten, würden vom verbilligten Bodenerwerb ausgeschlossen. Die BVVG habe vor allem LPG-Nachfolgeunternehmen Preisnachlässe bis zu 60 Prozent gewährt. Zu diesem Zweck habe die BVVG die Wertansätze für den Bodenverkauf bewusst nach unten gedrückt, erläutert Landwirt Jörg Gerke aus Rukieten (Landkreis Doberan) und beruft sich dabei auf einen internen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes.
Die AbL verlangt nun eine vollständige rechtliche Überprüfung der BVVG-Vergabepraxis sowie den sofortigen Stopp des vergünstigten Verkaufs nach dem EALG.
Sollte die AbL, die in den neuen Ländern rund 400 Mitglieder hat, vor Gericht siegen, stünden zum Teil satte Nachzahlungen für die Landwirte ins Haus, die Land zu verbilligten Preisen erwerben konnten. Bundesfinanzministeriums-Sprecher Stefan Olbermann sagte der OZ, es habe kein systematisches Fehlverhalten der BVVG, das strafrechtlich relevant wäre, gegeben. In MV sind 175 780 Hektar besagten Ackerlandes verkauft worden und über 201 470 Hektar verpachtet.
REINHARD ZWEIGLER