Beurteilung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 28.2.2007 -Dr. Johannes Wasmuth
– 3 C 18.06 – durch Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth, München
Herr Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth bewertet dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in der Zeitschrift für offene Vermögensfragen (ZOV 2007, 13ff.), das erstmals zu der Frage Stellung nimmt, ob die sogenannte „Demokratische Bodenreform“ in den Fällen von landwirtschaftlichen Betrieben in einer Größe über 100 ha eine politische Verfolgung darstellt, als so verheerend, daß ich in dieser Zusammenfassung für eilige Leser sein Fazit voranstellen will, weil sie zugleich den Zustand eines Teils der bundesdeutschen Justiz aufzeigt und brandmarkt.
Zusammenfassung des Beitrages:
„Waren die Akte der „Demokratischen Bodenreform“ gegenüber „Junkern“, Feudalherren“ und „Großgrundbesitzer“ tatsächlich keine politische Verfolgung?“
Das Fazit lautet wörtlich:
„Die mit dem Urteil vom 28.2.2007 erstmals begründete Ansicht des 3. Senats des BVerwG, Bodenreformmaßnahmen gegenüber „Junkern“, Feudalherren“ und „Großgrundbesitzern“ seien keine Akte politischer Verfolgung, entbehrt jeder nachvollziehbaren Begründung.
Der Senat betreibt statt dessen einerseits schwerwiegende Geschichtsklitterung, weil er maßgebliche Ziele der Verfolgung und den Umfang des tatsächlichen Verfolgungsgeschehens schlicht nicht zur Kenntnis nimmt. Andererseits mißachtet er die rechtlichen Vorgaben in einem Maße, das nicht mehr als zulässige Rechtsanwendung begriffen werden kann. Vielmehr verstrickt er sich in einem außerrechtlich-technokratischen Gespinst aus Annahmen und Unterstellungen, Verdrehungen und Verdrängungen, die es kaum mehr glaubhaft machen, daß es bei diesem Urteil „mit rechten Dingen“ zugegangen ist. Mit dem Urteil vom 28.02.2007 hat der Senat eine Grenze überschritten, die es zwingend erforderlich macht, seine Rechtsprechung und diejenige des 7. Senats nochmals von Grund auf neu zu bedenken.“
Diese vernichtende Beurteilung stützt Herr Rechtsanwalt Dr. Wasmuth auf folgende Feststellungen.
I. Erstaunliche Erkenntnisse des 3. Senats des BVerwG
Daß die verharmlosend als „Demokratische Bodenreform“ bezeichneten Unrechtsakte den kommunistischen Machthabern in der SBZ gezielt dazu dienten, den betroffenen Personenkreis systematisch und nachhaltig als wirksame Kraft der Gesellschaft auszuschließen, gesellschaftlich „auszurotten“, zu „vernichten“ und kaltzustellen, stand in der SBZ und DDR außer Frage. Auch in der bundesdeutschen Wahrnehmung hat bislang niemand daran gezweifelt. Mit dem Urteil vom 28.2.2007 schreibt nun aber der 3. Senat des BVerwG den Charakter der Bodenreform einfach um, weil er sonst ein von ihm gewünschtes Ergebnis, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung abzulehnen, nicht hätte begründen können. Den Senat ficht es nicht an, daß Art. I Abs. 1 der kommunistischen Bodenreformverordnung (BRV) jeweils bestimmt hat, die Bodenreform solle die Liquidierung der feudalen, junkerlichen und Großgrundbesitzer gewährleisten. Vielmehr stellt er darauf ab, daß nach der Präambel der Bodenreformverordnung den Forderungen der werktätigen Bauern auf gerechte Verteilung des Bodens und zur Liquidierung des Großgrundbesitzes der Junker, Feudalherrn, Fürsten und Grundbesitzer in Deutschland nachgekommen sei und der Boden an die landlosen und landarmen Bauern sowie auch an die deutschen Bauern, die aus anderen Gebieten umgesiedelt seien, verteilt werde.
Der 3. Senat schließt sich dem Urteil des Tatsachengerichts an, das diese These vertritt, ohne auch nur ansatzweise zu prüfen, ob eine gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs.2 VwRehaG politische Verfolgung vorliegt.
II. Maßgebliche Kriterien der politischen Verfolgung i.S. von § 1 II VwReG
Soweit § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG für die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes voraussetzt, daß eine Verwaltungsentscheidung mit tragenden Gründen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist, definiert § 1 Abs. 2 VwRehaG, daß die Maßnahme damit eine politische Verfolgung oder einen Willkürakt im Einzelfall darstellt und zusätzlich in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben muß. Da ohnehin außer Frage steht, daß die „Bodenreform“ die genannten Prinzipien in elementarer Weise verletzt hat, was der 3. Senat des BVerwG nicht thematisiert, bleibt für die Unrechtsakte gegenüber „Junkern“, Feudalherren“ und Großgrundbesitzern“ lediglich zu untersuchen, ob diese Maßnahmen Akte der politischen Verfolgung waren.
Der Begriff der politischen Verfolgung ist sowohl im Verfassungsrecht als auch in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung ein seit langem geklärter Rechtsbegriff, der sämtliche Verfolgungsmaßnahmen umfaßt, die ein Staat wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ergreift. Weitere Voraussetzung der politischen Verfolgung ist, daß die Betroffenen einer Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen ihrer persönlichen Freiheit ausgesetzt waren oder solche Eingriffe in begründeter Weise befürchten mußten.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Rechtsprechung betont, daß die objektiven Umstände der Verfolgung maßgeblich seien. Typischerweise knüpfen Verfolgerstaaten an Gruppenmerkmale an, von denen sämtliche Betroffenen erfaßt werden. Daher ist die sog. „Gruppenverfolgung“ der weitaus häufigste Tatbestand der politischen Verfolgungsfälle.
Die politische Verfolgung ist häufig durch ein ganzes Bündel staatlicher Maßnahmen gekennzeichnet, die in unterschiedliche Rechtsgüter des Betroffenen eingreifen und in ihrer Gesamtheit der Ausgrenzung, Kaltstellung und Vernichtung dienen.
III. Prüfung der politischen Verfolgung durch den 3. Senat der BVerwG und Kritik derselben
Von diesen allgemein anerkannten Grundsätzen der politischen Verfolgung, die auch der Legaldefinition von § 1 Abs. 2 VwRehaG zugrunde liegen, weicht das Urteil des 3. Senats des BVerwG vom 28.2.2007 signifikant ab. Der Senat nimmt keinen Bezug darauf und erklärt auch nicht, weshalb es auf diese anerkannten Grundsätze bei der Prüfung des Geltungsbereichs des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG nicht ankommen soll. Er betont zwar ausdrücklich, daß zwischen Rehabilitierungsrecht und Vermögensrecht getrennte Sach- und Normbereiche bestehen, vermeidet jedoch geflissentlich, die im Urteilstatbestand – keineswegs vollständig erwähnten – Verfolgungsmomente daraufhin zu untersuchen, ob sie eine politische Verfolgung dargestellt haben. Statt dessen untersucht er lediglich isoliert den Vorgang der Vermögensentziehung, ohne auch nur zu erwägen, ob diese bereits durch den vollständigen Entzug des betrieblichen und persönlichen Eigentums sowie des Verlustes des Arbeitsplatzes mit der Verweigerung anderer zumutbarer Arbeitsmöglichkeiten auf die Gefährdung des Existenzminimums der Betroffenen abzielte. Der Senat hat damit maßgebliche Verfolgungsmomente - systematische Vertreibung und Internierung, weitreichende Berufsverbote, Ausschluß jeden Rechtsschutzes, Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Ausschluß der Weiterbildungsmöglichkeiten, Registrierung, öffentliche Mißachtung mit Erzeugung einer Pogromstimmung und manches mehr – vollständig ausgeblendet. Statt dessen hat der Senat die Vermögenseinziehung lediglich als diskriminierende Konfiskationsakte behandelt, die keinen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollen.
1. Motivationslage der Machthaber in der SBZ
Der 3. Senat hat bei der Beurteilung der Bodenreform auf die Motivlage des Verfolgerstaats abgestellt, ein inzwischen überholter und vom BVerfG abgelehnter Ansatz.
a) Bezweckte Anknüpfung der Bodenreformverordnung an die Quadratmeterzahl der Betriebsgröße?
Der Senat ist zunächst der Ansicht, eine fehlende Personenbezogenheit der Unrechtsakte daraus herleiten zu können, daß Art. II Abs. 3 Bodenreformverordnung (BRV) die „Enteignung“ des Bodens der „Junker“, „Feudalherren“ und Großgrundbesitzer“ mit über 100 ha Land anordnet. Dabei steht das Verständnis des 3. Senats des BVerwG im klaren Widerspruch zum Wortlaut der Bodenreformverordnung. Danach ist der Adressat der „Enteignungen“ die Gruppe der „Junker“, Feudalherren“ und Großgrundbesitzer“ und nicht der Grund und Boden über 100 ha, weil es in den Bestimmungen der BRV wörtlich heißt: „Sie (die Bodenreform) soll die Liquidierung des feudalen, junkerlichen und Großgrundbesitzes gewährleisten und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer ein Ende bereiten, da diese Herrschaft immer ein Hauptpfeiler der Reaktion und des Faschismus in unserem Lande war.“
Dieses Ziel der „Bodenreform“ wird gegenüber der pauschal als „Junker“, Feudalherren“ und Großgrundbesitzer“ bezeichneten sozialen Gruppe, nicht aber gegenüber einer abstrakten, von Personen losgelösten Quadratmeterzahl landwirtschaftlichen Bodens verfolgt. Die Annahme des 3. Senats des BVerwG, die Bodenreformverordnung habe
nicht an eine soziale Gruppe, sondern an eine Quadratmeterzahl angeknüpft, ist durch rein gar nichts gestützt.
Mit dieser Auffassung werden der insofern eindeutige Wortlaut sowie der ausdrücklich erklärte Sinn und Zweck der Bodenreformverordnung verbogen und ihres tatsächlichen Aussagegehalts in auffälliger Weise entkleidet.
b) Zweck der Bodenverteilung
Es ist naiv, ja geradezu grotesk, wenn der 3 Senat des BVerwG das eigentliche Ziel der Bodenreform, die erbarmungslose Zerschlagung des Klassenfeindes, ausblendet und meint, es sei den Kommunisten schwerpunktmäßig um eine Bodenneuordnung gegangen, denn die Neubauern haben kein Privateigentum
erworben und die Neubauernwirtschaften waren so klein, daß sie nicht überlebensfähig waren und in wenigen J Jahren zwangsweise zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammengeschlossen wurden.
Fatal ist die Vorgehensweise des 3. Senats der BVerwG auch deshalb, weil auf der Basis seiner Argumentation ebenso die „Arisierung“ nicht als politische Verfolgung gewertet werden könnte. Angesichts der Tatsache, daß das NS-Regime die verfolgten Juden zugleich in Vernichtungslager deportierte, wäre eine solche Sicht der Dinge freilich nichts als blanker Zynismus. Läßt sich demgegenüber der auf die „Demokratische Bodenreform“ bezogenen Argumentation des 3. Senats des BVerwG tatsächlich der Zynismus absprechen, weil die Verfolgten nicht systematisch in Vernichtungslager, sondern „nur“ Hals über Kopf von Haus und Hof vertrieben, in Viehwagen verladen und in Internierungslager auf Rügen und sonstwohin transportiert, von Einsatzkommandos der NKWD verhaftet, auf dem Gebiet der SBZ in ehemaliger Konzentrationslager des NS-Regimes oder in sowjetische Arbeitslager verschleppt wurden, Maßnahmen, die viele nicht überlebt haben? Dabei ist es gleichgültig, ob der Verfolgte seinerzeit in die Fänge der kommunistischen Machthaber geraten ist oder ob er sich diesem Schicksal noch rechtzeitig durch eine Flucht entziehen konnte, denn in der SBZ hatte jeder „Junker,“ „Feudalherr“ und „Großgrundbesitzer“ mit Maßnahmen wie Verhaftung, Verschleppung, Internierung, Aberkennung des Wahlrechts oder Registrierung zu rechnen.
Weil der 3. Senat des BVerwG bei seiner rechtlichen Prüfung, den auf die Verfolgungssituation gerichteten Vortrag des Klägers, den es ausweislich des Urteilstatbestandes gegeben hat, vollständig ignoriert und überhaupt nicht auf seine rechtliche Relevanz überprüft, mißachtet er das Recht des Klägers auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung.
Das BVerfG hat klargestellt, daß das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes auch die Gewährleistung eines „wirkungsvollen Rechtsschutzes, der die grundsätzliche, tatsächliche und rechtliche Prüfung des Verfahrensgegenstandes beinhaltet, ermöglichen muß. Insofern hätte der 3. Senat des BVerwG als Revisionsgericht die Angelegenheit zur weiteren Sachaufklärung der Verfolgungszusammenhänge an das damit befaßte Verwaltungsgericht zurückverweisen müssen, wenn es sich selbst nicht in der Lage gesehen hätte, die begehrte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung auszusprechen.
2. Notwendigkeit der objektiven Prüfung
Mit der „Bodenreform“ wurde den Verfolgten das gesamte landwirtschaftliche Vermögeneinschließlich der privat genutzten Vermögenswerte (etwa Wohnhäuser einschließlich des gesamten Inventars) entzogen. Zum Zwecke einer Umverteilung von Grund und Boden an landarme oder landlose Bauern hätte es ausgereicht, den Betroffenen Höfe in einer Größe von 100 ha zu belassen, die auch den übrigen Bauern (zunächst) nicht genommen wurden, sofern diese nicht als Kriegsverbrecher, Kriegsschuldige oder Naziaktivisten eingestuft worden sind.
3. Maßgeblicher Sanktionscharakter ?
Es gehört zu den juristischen Grundkenntnissen, daß eine Sanktion die staatliche Reaktion auf ein vorangegangenes, schuldhaftes, sozialethisch verwerfliches Handeln, nicht aber Voraussetzung für eine politische Verfolgung darstellt. Sie ist damit das entscheidende Merkmal für die strafrechtliche Verfolgung. Wäre anzunehmen, daß die Vermögenseinziehungen gegenüber „Junkern“, „Feudalherren“ und Großgrundbesitzern eine Sanktion beinhaltete, wäre damit die Verfolgung strafrechtlicher Natur. Darüber dürfte das BVerwG gar nicht entscheiden, weil es lediglich über die verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahme befinden kann.
Die „Bodenreform“ war nicht nur gegenüber den nach Art. II Abs. 2 BRV als Kriegsverbrecher, Kriegsschuldigen und Naziaktivisten verfolgten Personen eine strafrechtliche Entnazifizierungsmaßnahme. Vielmehr wurden gerade auch diese Maßnahmen gegenüber der Gruppe der „Junker“, „Feudalherren“ und Großgrundbesitzer als solche der Entnazifizierung betrachtet.
Daß im übrigen strafrechtliche Sanktionen wegen des Vorwurfs der bloßen Mitgliedschaft in einer als kriminell eingestuften Gruppe verhängt werden können, belegt auch das bundesdeutsche Strafgesetzbuch.
IV. Vorgaben der Gemeinsamen Erklärung
Freilich läßt sich nicht übersehen, daß das Urteil des 3. Senats des BVerwG vom 28.2.2007 in gewissem Zusammenhang zur bisherigen Rechtsprechung des 7. Senats des BVerwG steht. Diese ist einerseits durch die Erkenntnis der getrennten Sach- und Normbereiche von Vermögens- und Rehabilitierungsrecht, andererseits durch die Annahme eines in § 1 Abs. 8 lit. a VermG geregelten Rückgabeausschlusses geprägt, der sich aus der Vereinbarung in Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung (GemErkl.) ergibt. Letzterer soll sich nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BVerwG für besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen gemäß § 1 Satz 3 VwRehaG auch im Bereich der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung fortsetzen.
Da im entschiedenen Fall wegen eines ausdrücklichen „Enteignungsverbotes“ der Sowjetunion von keiner Besatzungsrechtlichkeit oder Besatzungshoheitlichkeit der Maßnahme ausgegangen werden konnte, hätte das BVerwG den geltend gemachten Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nur ablehnen können, wenn jedenfalls eine der nachfolgenden Voraussetzungen vorgelegen hätte: Die Maßnahmen waren keine solche der politischen Verfolgung oder es bestehen keine getrennten Sach- und Normbereich zwischen Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz, so daß ein lediglich im Vermögens- und Ausgleichsleistungsgesetz geregelter Rückgabeausschluß auch in Fällen der politischen Verfolgung eingreift.
Um sein ablehnendes Ergebnis zu begründen, hat der 3. Senat des BVerwG schlicht den Verfolgungscharakter der „Bodenreform“ jedenfalls gegenüber „Junkern“, Feudalherren“ und „Großgrundbesitzern“ verneint. Damit hat er eine juristische „Bauchlandung“ hingelegt. Diese Auffassung widerspricht nicht nur - wie bereits dargelegt - grundlegend den historischen Fakten, sondern steht elementar auch im Gegensatz zu den rechtlichen Grundsätzen, die seit langem für die Prüfung des Tatbestandselements der politischen Verfolgung anerkannt sind. Auf dem Boden des geltenden Rechts ist diese Auffassung kein gangbarer Weg.
Zwar wollte (nur) auf den ersten Blick der Gesetzgeber - tatsächlich sämtliche Fälle der „Boden- und Industriereform“ vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes ausschließen, jedoch bei getrennten Sach- und Normenbereichen ist eine Überschneidung von Vermögens- und Rehabilitierungsrecht unmöglich. Entweder ist ein Fall eine gezielt objektbezogene Vermögensschädigung oder ein Akt der politischen Verfolgung mit vermögensrechtlichen Rechtsfolgen.
Danach werden die rein objektbezogenen Vermögensschädigungen unmittelbar vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dagegen sind für verfolgungsbedingte Vermögenseinziehungen die Rehabilitierungsgesetze einschlägig und lediglich die Rechtsfolgen werden in entsprechender Anwendung des Vermögensgesetzes (zweistufig) geregelt.
Insofern hat auch die Gemeinsame Erklärung in Ziff. 1-8 GemErkl. lediglich objektbezogene Vermögensschädigungen geregelt, nicht aber Akte der politischen Verfolgung, die in Ziff. 9 GemErkl. einer anderweitigen Regelung vorbehalten bleiben. Für politisch Verfolgte hat das bereits kurz nach der Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung erlassene DDR-Rehabilitierungsgesetz ausdrücklich eine Rehabilitierung vorgesehen und damit die unterschiedliche Behandlung zwischen objektbezogenen Enteignungen und politischer Verfolgung manifestiert.
Daß entsprechendes auch für die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung gelten sollte, ergibt sich jedenfalls aus der Denkschrift zum Einigungsvertrag zu Art. 17 EVertr.
Beide Rechtsgebiete reagieren damit auf zwei unterschiedliche Formen staatlichen Unrechts, die auch völker- und verfassungsrechtlich nach anderen Prinzipien zu behandeln sind. Akte der politischen Verfolgung sind im Regelfall Maßnahmen, die gegen die allgemein von der Völkergemeinschaft anerkannten Menschenrechte verstoßen und daher vom Völkerrecht nicht anerkannt werden. Verfassungsrechtlich verstoßen sie gegen elementare Prinzipien der Gerechtigkeit und haben daher „unter der Wertordnung des Grundgesetzes keinen Bestand“. Sie lösen deshalb bereits kraft Verfassungsrechts einen Rehabilitierungsanspruch aus und zwar unabhängig davon, ob die Verfolgung straf- oder verwaltungsrechtlicher Natur war.
Das BVerwG nimmt diese Rechtswirklichkeit nicht zur Kenntnis, sondern hat seine Rechtsprechung vom vermeintlichen Rückgabeverbot für besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen auf der Grundlage des sog. Bodenreformurteils des BVerfG entwickelt, das es freilich gründlich mißverstanden hat.
Nach den Erkenntnissen des BVerfG kann selbst für bloße vermögensrechtliche Konfiskationen („Enteignungen“) auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nach den Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung von einem Rückgabeverbot keine Rede sein. Das BVerfG schließt es lediglich aus, daß die Bundesrepublik besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Konfiskationen als nichtig behandelt. Dagegen hält es einen Rückerwerb entzogener Eigentumsrechte - also auch eine Rückschenkung - ausdrücklich für zulässig.
Ein gesetzliches Rückgabeverbot ist in § 1 Abs. 8 lit.a, 1. Halbsatz nicht geregelt, denn sonst wäre in § 5 Abs. 1 AusglLeistG eine Rückgabe für bewegliche Sachen nicht ausdrücklich vorgesehen.
Dafür spricht weiter: Die UdSSR wollte kein Rückgabeverbot durchgesetzt wissen, sondern lediglich ihre Indemnität wahren, d.h. nach völkerrechtlichem Deliktsrecht nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Auch der DDR ging es nicht um den Schutz des sog. „Volkseigentums“, sondern um den Schutz von Rechten (Eigentums- und Nutzungsrechten etc.) ihrer Bürger. Deshalb reichen die Forderungen dieser beiden Staaten nur so weit, daß besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen nicht als nichtig behandelt werden. Eine Rückgabe im Einzelfall konnte dagegen vom bundesdeutschen Gesetzgeber geregelt werden, wenn dabei bestehende Rechte von DDR-Bürgern gewahrt blieben.
Auch in den Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz wird erklärt, daß ausschließlich objektbezogene Konfiskationsakte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (z.B. Banken, Versicherungen, Berliner Konzern-verordnung etc.) vom Geltungsbereich des § 1 Abs. 8 lit a VermG erfaßt werden sollten.
Dennoch hat der 7. Senat des BVerwG ein vollständiges Rückgabeverbot konstruiert und hat an dieser Auffassung auch beharrlich festgehalten. Dieses läßt sich freilich nicht aus dem Bodenreformurteil des BVerfG herleiten, sondern entspringt lediglich der Phantasie des BVerwG.
Damit bleibt festzuhalten, daß die Annahme, auch verfolgungsbedingte Unrechtsakte im Rahmen der „Bodenreform“ seien von den Vorgaben der Gemeinsamen Erklärung und der daraufhin erlassenen gesetzlich Wiedergutmachungsbestimmungen tangiert, einer nachvollziehbaren Grundlage entbehrt und lediglich Folge einer Reihe von Verwicklungen zunächst in der Rechtsprechung des 7. Senats und des 3. Senats der BVerwG ist, die bislang keine „saubere“ Prüfung der Rechtslage vorgenommen haben. Vielmehr gilt trotz der Bestimmung in Nr. 1 GemErkl. und § 1 Abs.8 lit. a VermG der Grundsatz getrennter Sach- und Normbereiche von Vermögens- und Rehabilitationsrecht auch gegenüber Maßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit ohne jede Ausnahme. Unabhängig davon regelt auch das Vermögensgesetz keinen Rückgabeausschluß, sondern bestimmt in § 1 Abs. 8 lit. a VermG lediglich die (unmittelbare) Nichtanwendbarkeit des Gesetzes auf die Fallgruppe der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen „Enteignungen“.
Zusammenfassung: Dorothea. Herrlein-Ramdohr