Aufhebung eines mündlichen Erörterungstermins durch LG Dresden in einem Verfolgungsfall der sog. Industriereform
Der Präsident des LG Halfar, der Vizepräsident des LG Schultze-Griebler und die Richterin am LG Hofmann haben als Mitglieder der Kammer für Rehabilitierung des Landgerichts Dresden in einem Verfolgungsfall der sog. Industriereform einen bislang einmaligen, erhebliche Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit dieser Richter und an der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens schürenden Beschluß gefaßt. Einen bereits von der Kammer angeordneten Termin zur mündlichen Erörterung haben sie aus erkennbar sachwidrigen Gründen wieder aufgehoben.
Im einzelnen: Gegenstand des strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens ist ein Verfolgungsfall gegen einen gewerblichen Unternehmer, dessen Vater auf der Grundlage der sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid von 1946 verfolgt wurde. Der Antragsteller hat in einem sehr umfangreichen Antrag, dem rund 150 Seiten Dokumente beigefügt waren, im einzelnen belegt und nachgewiesen, daß die Verfolgung nach dem ausdrücklichen Willen des damaligen sächsischen Gesetzgebers die strafrechtliche Verfolgung seines Vaters bezweckt hat und in einem extralegalen Strafrechtsverfahren durchgeführt wurde. Damit sind die tatsächlichen Annahmen, die der Rechtsprechung der strafrechtlichen Rehabilitierungsgerichte zu den Fällen der Industriereform zugrunde lagen, lückenlos widerlegt und als nicht mehr haltbar nachgewiesen worden. Dies gilt insbesondere aufgrund der Annahme der Gerichte, es habe an einem Strafzweck gefehlt, weil die Maßnahmen lediglich der Umverteilung der Eigentumsverhältnisse im wirtschaftlichen Bereich gedient hätten. Dies ist schon dadurch widerlegt, daß die Verfolgung Industrieller als Kriegs- und Naziverbrecher überhaupt nicht auf eine Umverteilung der Eigentumsverhältnisse im wirtschaftlichen Bereich beschränkt war, sondern zahlreiche andere Sanktionen zur Folge hatte. Dann aber ist auch in den Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid ausdrücklich bestimmt, daß die Maßnahmen keine wirtschaftlichen sein sollen. Damit fällt die gesamte Rechtsprechung der strafrechtlichen Rehabilitierungsgerichte wegen Zugrundelegung falscher Tatsachen in sich zusammen.
Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz sieht zwar grundsätzlich eine Entscheidung ohne mündliche Erörterung vor. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat das Gericht aber ein mündliche Erörterung anzuordnen, wenn es dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder aus anderen Gründen für erforderlich hält. Ein bloßes Ermessen wird aber in den Fällen der Ermessensreduzierung auf Null zu einer zwingenden Pflicht. Davon ist wegen des Umfangs des Antrags und der ständigen bisherigen Rechtsprechung, deren tatsächliche Grundlagen durch den Vortrag lückenlos widerlegt werden, ohne weiteres anzunehmen.
Auch die Kammer hat daher pflichtgemäß einen Termin zur mündlichen Erörterung anberaumt. Darauf hat der Antragsteller mit seinen Anwälten in einer im Internet verbreiteten Presseerklärung hingewiesen, in der auch der wesentliche Vortrag und dessen Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung in wenigen Worten dargelegt worden ist. Diese Presseerklärung hat dann aber die Kammer zum Anlaß genommen, den bereits festgesetzten Termin zur mündlichen Erörterung wieder aufzuheben
Warum die Aufhebung eines Rechtsstaats unwürdig ist
Diesen Beschluß begründet die Kammer in grob sachwidriger Weise. Sie legt nämlich dar, daß wegen der im Internet verbreiteten Presseerklärung eine zusätzlich Aufbereitung des umfangreichen schriftlichen Sachvortrags und eine Erörterung der von der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des OLG Dresden abweichende Rechtsauffassung nicht mehr zu erwarten sei. Außerdem behauptet sie in unzutreffender Weise, die Presseerklärung vermittele den Eindruck, daß die Kammer geneigt sei, ihre bisherige ständige Rechtsprechung aufzugeben. Auch die Ankündigung im Internet, „ein wichtiges Stück Zeitgeschichte aufzudecken“ deute darauf hin, daß der mündliche Gerichtstermin als „öffentliches Forum“ genutzt werden solle.
Abgesehen davon, daß die Kammer wegen des Umfangs des Vortrages und der bisherigen ständigen Rechtsprechung aufgrund der deshalb eingetretenen Ermessensreduzierung auf Null in jedem Fall verpflichtet war, eine mündliche Erörterung durchzuführen, weshalb der Aufhebungsbeschluß schon deshalb rechtswidrig ist, legt die Begründung der Kammer eine unhaltbaren, sachwidrigen Umgang mit dem Verfahrensstoff offen. Insofern entbehrt schon die Begründung jeder Logik, weil von der Presseerklärung unter keinen Umständen auf eine nicht mehr zu erwartende weitere Aufklärung des Verfahrensstoffs geschlossen werden kann. Eine Kammer, die so argumentiert, gibt offen zu erkennen, daß sie überhaupt nicht ernsthaft an einer Aufklärung interessiert ist und diese zu unterbinden sucht. Unabhängig davon kann sie die Möglichkeiten der weiteren Aufklärung in der mündlichen Erörterung im voraus überhaupt nicht kennen, weil sie von weiterem Vortrag per se nichts weiß.
Der weitere Begründungsansatz der Kammer, auch die Ankündigung im Internet, „ein wichtiges Stück Zeitgeschichte aufzudecken,“ deute darauf hin, daß der mündliche Gerichtstermin als „öffentliches Forum“ genutzt werden solle, stellt einen im Rechtsstaat inakzeptablen Vorgang dar. Es gehört zu den wesentlichen Errungenschaften des Rechtsstaats, daß Gerichte öffentlich tagen und ihre Entscheidungen vor den Augen der Öffentlichkeit zu verantworten haben. Nur so läßt sich notwendige Kontrolle der Justiz gewährleisten. Selbst wenn man einmal zugunsten der Kammer annimmt, sie sei berechtigt, die mündliche Erörterung nur mit dem Antragsteller und seinen Rechtsanwälten durchzuführen, so steht aber überhaupt nichts dagegen, daß darüber in der Öffentlichkeit berichtet und die allgemein interessierenden Tatsachen- und Rechtsprobleme in aller Offenheit zur Diskussion gestellt werden. Der Antragsteller hat gar das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Meinungsfreiheit. Die Öffentlichkeit hat einen entsprechenden Informationsanspruch (vgl. Art. 5 des Grundgesetzes). .
Vor diesem Hintergrund sind äußerste Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Handlungsweise der Richter der Rehabilitierungskammer des LG Dresden angebracht. Diese haben sich nun peinlichen Fragen zu stellen: Warum scheuen Sie derart offensichtlich das Licht der Öffentlichkeit? Was haben Sie zu verbergen? Offenes Mißtrauen jedenfalls haben sie reichlich gesät.
Zusammenfassung von
Dorothea Herrlein-Ramdohr
(stellv. Vorsitzende der ARE e.V.)