Preußischer Kulturbesitz gibt Geist-Handschriften an Erben zurück / MOZ, 17.11.2008
Berlin (dpa) Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat am Montag zehn Autographe aus dem Nachlass des von den Nazis verfolgten Komponisten Edwin Geist (1902-1942) an dessen Erben zurückgegeben. Gleichzeitig sei mit der Familie in den USA ein unbefristeter Leihvertrag geschlossen worden, so dass die Handschriften in der Berliner Staatsbibliothek bleiben werden, wie die Stiftung mitteilte. Der gebürtige Berliner Geist, der einen jüdischen Vater hatte, floh 1938 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland und zog nach Litauen. 1942 ermordeten ihn die Nationalsozialisten im litauischen Kaunas.
Geist schrieb zwei Opern, zahlreiche Lieder, Chorstücke und eine Totenmesse. Er sah sich in der Tradition der Moderne und entdeckte zugleich Gemeinsamkeiten mit der litauischen Volksmusik. Als "Halbjude" in Deutschland von den Nazis unter Berufsverbot gestellt, war er nach Litauen ausgewandert, wo er seine spätere Frau Lyda kennenlernte. Nachdem die deutsche Wehrmacht einmarschiert war, wurde er - ebenso wie seine Ehefrau - auch dort verfolgt und musste zeitweise im Ghetto leben. 1942 wurde er verhaftet und erschossen.
Kurz danach nahm sich 1943 seine Ehefrau, die Jüdin war, aus Verzweiflung das Leben. In ihrer Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt Handschriften der Kompositionen von Geist. Dritte entfernten den Nachlass anschließend ohne Beteiligung der Familie aus der versiegelten Wohnung des Ehepaars.
Einen Teil der Autographe hatte die Deutsche Staatsbibliothek in Ost-Berlin 1964 durch eine Schenkung der "Gesellschaft für deutsch- sowjetische Freundschaft" erhalten. Deren weiter zurückliegende Wege ließen sich bisher nur unvollständig beschreiben, heißt es in der Erklärung der Stiftung. Aus der Biografie Geists sei jedoch erkennbar, dass die Handschriften "verfolgungsbedingt entzogen" worden waren.
"Den Erben - insbesondere Geists Nichte Rosian Zerner in Newton, Massachusetts - die uns die Handschriften anvertrauen, sind wir zu großem Dank verpflichtet", erklärte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, laut Mitteilung. Die Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin ist die größte Sammlung ihrer Art in Deutschland und eine der bedeutendsten weltweit.
Montag, 17. November 2008 MOZ