Peer Steinbrück plant "Löcherschliessung" im Bundeshaushalt auf Kosten von Opfergeldern
Agrarland-Privatisierung / Flächenerwerb über Finanzministerium / BVVG
In den kommenden Sitzungswochen des Bundestages steht die Novellierung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) in Form des Flächenerwerbsänderungsgesetzes erneut zur Debatte, das bisher bereits mehrfach wieder von der Tagesordnung abgesetzt werden mußte wegen Uneinigkeit der Koalitionsfraktionen in einem einzigen Punkt.Zwar handelt es sich bei dem strittigen Punkt gesamtpolitisch betrachtet um ein kleines Vorhaben, aber um eines, dem offenbar hohe politische Bedeutung zugeschrieben wird. Dabei steht die schon geringe Erwerbsmöglichkeit landwirtschaftlicher Flächen durch die Opfer der kommunistisch-stalinistischen Bodenreform 1945 bis 1949 zur Diskussion, die ihnen 1994 im Rahmen des Ausgleichsleistungsgesetzes im Konsens mit allen Beteiligten vom Gesetzgeber zugesichert worden ist. Diese Regelung kann als eine Art Wiedergutmachung angesehen werden, die Alteigentümern die Möglichkeit gibt, in ihrer alten Heimat einen kleinen Teil der entschädigungslos enteigneten Flächen begünstigt zurück zu kaufen. - Eine Tatsache übrigens, die nach eigener Erfahrung der Verfasserin in vielen Gesprächen immer wieder Empörung, zumindest aber Erstaunen hervorruft, weil zahlreiche Bürger sowohl in den alten wie in den neuen Bundesländern der Meinung sind, Alteigentümer, die wieder auf Teilen ihrer alten Betriebe leben und/oder wirtschaften, hätten diese selbstverständlich zurückbekommen. Um was geht es konkret ? Dem Ausgleichsleistungsgesetz wurde 1994 eine Erwerbsfläche zu Grunde gelegt, die auf eine wirtschaftliche Grundlage ausgerichtet war. Auf der Basis des individuellen Ausgleichsleistungsbescheids, erstellt von den Landesämtern für offene Vermögensfragen, erhält jeder Betroffene die Berechtigung, für einen bestimmten Betrag von der BVVG begünstigt Flächen zu erwerben - dies geschieht dann im Regelfall durch Aufnahme von Krediten in der entsprechenden Höhe. Das Problem, dass die erwerbbare Fläche mit den Bodenpreisen schwankt, wurde damals und bei nachfolgenden Gesetzesänderungen nicht bedacht, offenbar deshalb nicht, weil damals die Bodenpreise relativ stabil waren. Dies hat sich jedoch in der jüngsten Vergangenheit drastisch geändert. Allein im Jahr 2007 sind die Preise für BVVG-Flächen so stark gestiegen, dass sich die Erwerbsmöglichkeit für die Opfer der Bodenreform innerhalb nur eines Jahres auf die Hälfte reduziert hat. Bezogen auf das Jahr 1994 ist damit in Folge der Nichtbeachtung des Kompensationsanspruchs die Erwerbsmöglichkeit sogar auf weniger als 40% geschrumpft. Konnte ein mit einer Fläche von 100 ha enteigneter Betrieb 1994 noch 26 ha begünstigt erwerben, so sind es jetzt nur noch 10 ha, und künftig noch weniger auf Grund der steigenden Bodenpreise. Besonders schwerwiegend ist dabei, dass sich die Fertigstellung der Ausgleichsleistungsbescheide durch die Landesämter für offene Vermögensfragen, die Voraussetzung für eine Antragstellung auf begünstigen Flächenerwerb sind, noch bis in die 2020er Jahre hinziehen wird. Für diesen Zeitraum ist um so weniger eine Aussage über die Entwicklung der Bodenpreise und damit über den Flächenerwerbsumfang möglich. Äußerst bedenklich ist, dass sämtliche Anträge auf Ausgleichsleistung bereits bis zum 31.05.1995 gestellt sein mussten, aber noch heute ca. 11.000 Anträge nicht bearbeitet sind. In Folge dieser Rechtsverweigerung aufgrund der extrem verzögerten Bearbeitung wurde ca. 11.000 Berechtigten bisher die Möglichkeit verwehrt, ihre Erwerbsmöglichkeiten zu realisieren. Inzwischen ist es für viele Berechtigte auch altersbedingt nicht mehr möglich, diese Kompensation in Anspruch zu nehmen. Welche Lösungsvorschläge gibt es seitens der Politik ? Vor diesem Hintergrund wurde von der CDU/CSU-Fraktion des Bundestages vorgeschlagen, die Erwerbsmöglichkeit für die Opfer der Bodenreform wieder auf den Erwerbsumfang von 1994 zurück zu führen, allerdings unter strikter Ablehnung seitens der SPD und des Bundesfinanzministeriums. Aus Gründen der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung wurde in der Folge federführend durch maßgebliche Vertreter der CDU/CSU-Fraktion ein Kompromissvorschlag entwickelt, der vorsieht, dass der Erwerbsumfang für die Opfer der stalinistisch-kommunistischen Bodenreform auf der Grundlage der am 01.01.2004 geltenden Bodenpreise festgelegt wird (Stichtagsregelung). Allerdings sollen die Erwerbswilligen, die diese Lösung für sich in Anspruch nehmen, auf die ebenfalls am 01.01.2004 beginnende Verzinsung ihrer monetären Ausgleichsleistung verzichten, die bereits um die Höhe des Lastenausgleichs gekürzt ist. Dieser Vorschlag findet auch die breite Zustimmung von FDP und Bündnis 90/Die Grünen. (Pressemitteilung des agrarpolitischen Sprechers der FDP, MdB Hans-Michael Goldmann, vom 09.05.2008 und dessen Schreiben vom 27.06.2008, sowie Pressemitteilung der agrarpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, MdB Cornelia Behm, vom 08.05.2008). Auch die Betroffenen akzeptieren diese Lösung. Allerdings: SPD und der Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück blockieren diesen Vorschlag und nehmen damit ein Scheitern der Novellierung in Kauf. Das BMF rechnet mit um so höheren Einnahmen aus dem meistbietenden Verkauf der Flächen durch die BVVG, je niedriger die Flächenerwerbsmöglichkeit durch die Opfer der Bodenreform ist. Die Höhe dieses moralisch verwerflichen Mehrgewinns errechnet das BMF wie folgt, wobei Durchschnittswerte zu Grunde gelegt werden:
- Ursprünglich, also 1994, konnten von einem enteigneten Betrieb im Durchschnitt etwa 34 ha begünstigt erworben werden, aktuell nur noch etwa 12 ha, also 22 ha weniger.
- Bei 11.000 offenen Fällen ergeben sich 242.000 ha, die der BVVG und damit dem BMF im Verlauf von 10 bis 15 Jahren zum freien Verkauf mittels BVVG zur Verfügung stünden ohne Einnahmeneinbußen.
- Daraus ergäben sich je nach zu Grunde gelegtem Verkaufspreis 1 bis 2 Mrd. EUR Einnahmen für das BMF verteilt auf 10 bis fünfzehn Jahre - unmoralische Einnahmen, mit denen der Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück und Staatssekretär Karl Diller die Sanierung des Bundeshaushalts auf Kosten verfolgter und enteigneter Landwirte betreiben, und dies bereits zum wiederholten Mal.
Diese Zahlen sind von der Realität weit entfernt: Nach Auskunft der Pressestelle der BVVG vom 28. Juli 2008 haben bisher tatsächlich erst 623 Alteigentümer ihre Erwerbsansprüche nach § 3 Abs. 5 EALG wahr genommen !! Allein diese Zahl legt nahe, dass die Hürden - vor allem gesetzt durch die BVVG - für die Betroffenen außerordentlich hoch sind. Es gibt bedauerlicher Weise keinen erkennbaren Grund dafür, dass sich dies künftig ändern wird. Aber ganz nebenbei: Ist eine Wiedergutmachungsleistung nicht dazu bestimmt, von den Berechtigten in Anspruch genommen zu werden und sollte sich nicht die Politik dafür stark machen ? Das Gegenteil ist der Fall - ein beschämendes Szenarium. Die SPD zieht sich auf die pauschale Aussage zurück, sie wolle keine Besserstellung einer einzelnen Gruppe innerhalb der zum begünstigten Erwerb Berechtigten. Sie gipfelt in der Forderung: Wenn für Alteigentümer eine Stichtagsregelung, dann auch für Pächter. (Zur Erinnerung: Das Ausgleichsleistungsgesetz mit dem genauen Titel "Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können" regelt in § 3 nicht nur, dass der im Titel angesprochene, ursprüngliche Personenkreis Flächen begünstigt erwerben kann, sondern dass dies ebenso gilt für Pächter von BVVG-Flächen, nämlich Wiedereinrichter, Neueinrichter und auch juristische Personen des Privatrechts, also insbesondere LPG-Nachfolgebetriebe.) Sie führt darüber hinaus die 6%ige Verzinsung des monetären Ausgleichsleistungsanspruchs als Gegenargument an. Neuerdings sieht die SPD durch die Stichtagsregelung sogar das Grundanliegen des EALG gefährdet, das sie in der Erhaltung und Stabilisierung der gewachsenen Strukturen in der ostdeutschen Landwirtschaft sieht! Aus Sicht der Betroffenen stellt die SPD mit ihren Forderungen und Argumenten bestehende Gesetze auf den Kopf:
- Bei den Pächtern handelt es sich um Subventionsempfänger, die beim begünstigten Flächenerwerb den EU-Regularien mit einer maximal zulässigen Subvention, d.h. Reduzierung des Kaufpreises von 35 % unterliegen. Eine Stichtagsregelung für Pächter würde einen Einspruch der EU nach sich ziehen. Im Gegensatz dazu wurde der begünstigte Flächenerwerb den Kompensationsberechtigten als Wiedergutmachungsleistung vom Gesetzgeber zugebilligt, die durch nationales Recht auszugestalten ist.
- Mit der grundsätzlichen Forderung, man wolle keine Besserstellung einer einzelnen Gruppe nimmt die SPD vorsätzlich in Kauf - oder bezweckt sie dies sogar? -, dass der unvoreingenommene Betrachter, Leser und Politiker zu einer völlig falschen Einschätzung der Gegebenheiten gelangt, wenn er sich nicht explizit mit Details des Gesetzes befasst.
Über die folgenden Einzelheiten muss daher berichtet werden: Der vorliegende Gesetzentwurf, der durch den CDU/CSU-Vorschlag noch verändert werden soll, sieht vor, dass alle zum begünstigten Flächenerwerb Berechtigten, die Opfer der Bodenreform wie die Pächter von BVVG-Flächen, landwirtschaftliche Flächen von der BVVG mit einem Abschlag von 35 % erwerben können. Vordergründig betrachtet werden damit beide Gruppen "gleich behandelt", so wie es die SPD befürwortet: Der Preis pro Hektar wird sowohl bei den Opfern der Bodenreform als auch bei Pächtern von BVVG-Flächen in gleicher Weise festgesetzt (glücklicherweise aufgrund der vorausgegangenen Bundesratsempfehlung vom 15.02.2008 nicht mehr auf der Grundlage der Höchstgebote für BVVG-Flächen, sondern durch allgemein anerkannte Regeln der Verkehrswertermittlung).Bezieht man jedoch die Voraussetzungen für den Flächenerwerb ein, so zeigt sich bei beiden Gruppen ein gegenteiliges Bild:
- Während die Opfer der Bodenreform in Folge der steigenden Bodenpreise laufend weniger Fläche erwerben können, was eine stetige, nach den genannten Zahlen erhebliche Entwertung des Wiedergutmachungsanspruchs bedeutet, verändert sich für Pächter von BVVG-Flächen - langfristige Pachtverträge vorausgesetzt - , die begünstigt erwerbbare Fläche bei steigenden (oder fallenden) Bodenpreisen nicht, da sie allein von der aktuellen Flächenausstattung des Betriebes abhängig ist.
- Die Opfer der Bodenreform sind beim begünstigten Flächenerwerb auf die Fertigstellung der Ausgleichsleistungsbescheide angewiesen mit all den bereits erläuterten Problemen. Die Zeitverzögerung liegt völlig außerhalb des Einflussbereichs der Betroffenen. Pächtern hingegen ist es frei gestellt, wann sie sich im Verlauf der Pachtzeit für den begünstigten Flächenerwerb entscheiden. Es war deshalb für sie möglich, den Kaufvertrag bei noch günstigen Bodenpreisen abzuschließen.
Darüber hinaus nehmen Pächter im Zusammenhang mit dem Flächenerwerb a priori eine Vorrangstellung ein:
- Alteigentümer können maximal 300.000 Ertragsmesszahlen erwerben, Pächter dagegen 600.000 EMZ (§ 3 Abs. 2 und 5 AusglLeistG), wobei bei Alteigentümern die Höhe des Ausgleichsleistungsbescheides begrenzend wirkt, so dass die überwiegende Mehrheit den Anspruch auf 300.000 EMZ bei weitem nicht ausschöpfen kann. Zu beachten ist hier des weiteren, dass die Höhe des Ausgleichsleistungsbescheides fest stehend ist, also mit steigenden Bodenpreisen (dies ist ja das Ausgangsproblem) die Ertragsmesszahlen, die von Alteigentümern erworben werden können, entsprechend abnehmen.
- Pächter haben bei der Auswahl der Flächen grundsätzlich Vorrang vor Alteigentümern. Die Priorität von Pächtern bei der Flächenwahl entsprechend § 3 Abs. 5 und 6 AusglLeistG äußert sich darin, dass einerseits die Zustimmung des Pächters zu einem Flächenerwerb durch den Alteigentümer erforderlich ist, und der Pächter andererseits bestimmen kann, welche Flächen er für den eigenen Kauf zurückbehalten möchte ohne Festlegung, wann und ob überhaupt der Kauf erfolgen soll. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass der Pächter die besseren Böden, oder Flächen mit der besseren Arrondierung wählen kann, während der Alteigentümer Flächen von schlechterer Bonität bzw. Lage erhält.
- Der Kaufvertrag mit der BVVG umfasst für den Alteigentümer die Verpflichtung, bestehende Pachtverträge auf 18 Jahre zu verlängern (§ 3 Abs.. 6 AusglLeistG). Damit wird für den Pächter der bekanntlich bei langfristigen BVVG-Pachtverträgen günstige Pachtzins auch durch den Alteigentümer gewährt. Hier allerdings greift wieder das Problem für den Alteigentümer, wenn er zu aktuellen Bodenpreisen, also ohne die Stichtagsregelung, Flächen erwirbt: Der hohe Erwerbspreis pro ha, der über die Aufnahme von Krediten finanziert werden muss, bedingt einen hohen Kapitaldienst pro ha, der über die geringen Pachteinnahmen nicht geleistet werden kann. Damit wird für Alteigentümer der Flächenerwerb praktisch unmöglich gemacht, mit der Gefahr für Pächter, dass die Flächen durch die BVVG meistbietend ausgeschrieben werden.
Diese Vorgaben werden durch die Stichtagsregelung in keiner Weise berührt. Sie sind gesetzlich verankert und bleiben in vollem Umfang erhalten. Eine Ablehnung der Stichtagsregelung führt deshalb zu keiner weiteren Bevorteilung der Pächter, lediglich zu einer Schlechterstellung der Opfer der Bodenreform. Ist das von der SPD gewollt ? Abschließend muss betont werden, dass es sich bei den Opfern der Bodenreform um Kompensationsberechtigte handelt, die in den Jahren 1945 bis 1949 ohne eigenes Verschulden vertrieben, grausam verfolgt und entschädigungslos enteignet worden sind. Die Begünstigung beim Flächenerwerb ist Teil der Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts. Da es sich um landwirtschaftliche Flächen handelt, ist der Erwerbsumfang entscheidend. Hohe Werte pro Hektar bei gleichzeitig reduziertem Erwerbsumfang stellen im landwirtschaftlichen Bereich keine Alternative dar. Nach Erfahrungen der Verbände, aber auch der Landesämter für offene Vermögensfragen ist für etwa die Hälfte der Betroffenen ein Flächenerwerb aus persönlichen und / oder beruflichen Gründen nicht möglich.. Den verbleibenden Antragstellern sollte wenigstens die Stichtagsregelung ermöglicht werden. Stichtagsregelungen sind im Wiedergutmachungsbereich aus Gründen der Gleichbehandlung der Geschädigten allgemeiner Konsens, davon sollten die Opfer der kommunistisch-stalinistischen Bodenreform nicht ausgeschlossen werden. Es ist an der Zeit, dass sich die gesamte Politik wieder auf die ursprünglich Betroffenen besinnt, für die das Ausgleichsleistungsgesetz 1994 geschaffen worden ist, und dazu beiträgt, dass weiterer Schaden von den Opfern der kommunistisch-stalinistischen Bodenreform abgewendet wird. Immerhin handelt es sich um eine Personengruppe, auf deren Leid die Existenz der DDR aufgebaut worden ist und deren Engagement dem Aufbau der BRD gegolten hat. Es geht hier nicht um eine Besserstellung der Alteigentümer, sondern darum, die minimalen Rechte der Alteigentümer aufrechtzuerhalten, die ihnen im Rahmen der Wiedergutmachung zugesichert worden sind. Dies ist das mindeste, was Partei übergreifend sichergestellt werden muss.
E S - are
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