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dpa-Meldung - Brandenburg / Bodenreform-Erben fordern «Wahrheitskommission»


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von  Matthias Benirschke
   Potsdam (dpa/bb) - In der Brandenburger Bodenreform-Affäre wollen
die Betroffenen weiterhin für ihr Recht kämpfen. Er setze seine
Hoffnungen nicht auf den Abschlussbericht des parlamentarischen
Untersuchungsausschusses, sagte der Bundesvorsitzende der
Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Manfred Graf von Schwerin, am
Montag in Potsdam. Er schlug eine «Wahrheitskommission» mit
angesehenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor. Außerdem
müsse das Land endlich ernsthaft nach den Grundstücks-Erben suchen.

Der Bundesgerichtshof hatte 2007 die Praxis Brandenburgs als
sittenwidrig verworfen, sich in tausenden Fällen selbst als Besitzer
ins Grundbuch eintragen zu lassen. Der vor einem Jahr auf Initiative
der Linken eingesetzte Untersuchungsausschuss sollte herausfinden,
wer für die unrechtmäßige Aneignung der Grundstücke durch das Land
die Verantwortung trägt. In etwa 10 200 von insgesamt 82 000 Fällen
hatte das Land keine Erben gefunden und sich dann bis zum Fristablauf
am 3. Oktober 2000 quasi selbst zu deren Vertreter bestellt und
beantragt, als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen zu werden.

Hauptkritikpunkt des Gerichts war, dass das Land nicht gründlich
genug nach Erben gesucht habe. Von Schwerin unterstrich seine
Auffassung, dass dem Land eigentlich sämtliche Angaben zur Verfügung
stehen müssten. «Das Land hätte nur in seine Schublade schauen
müssen. Die Öffentlichkeit ist hier vorgeführt worden.»

Für die ARE verlangte der Rechtsanwalt Thorsten Purps, die bislang
ungeklärten Grundstücke im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Dieses
übliche Verfahren könne bundesweit allen Erben-Ermittlern als
Recherchegrundlage dienen und habe eine Erfolgsquote von 70 bis 80
Prozent. Das Land habe dagegen gerade mal bis zu 700 Erben gefunden.
Zugleich warf er der Staatsanwaltschaft vor, Verfahren zu verzögern
und diese dann mit dem Argument der Verjährung einzustellen.

Der Untersuchungsausschuss will an diesem Freitag über den
Abschlussbericht beraten. Die Vorsitzende Jutta Lieske (SPD) will
ihren Entwurf vorlegen. Die Version der Linksfraktion betont, dass
der Ausschuss die gesetzwidrige Aneignung von Grundstücken durch das
Land nachgewiesen habe. Die jeweilige Landesregierung habe das
Problem unterschätzt. So sei es möglich gewesen, dass sich die
Fachebene des Finanzministeriums verselbstständigt und wichtige
Entscheidungen ohne die Spitzen gefällt habe.

Das Finanzministerium wies die Vorwürfe zurück. Das Land habe im
vergangenen Jahr mit Zeitungsanzeigen für insgesamt 156 000 Euro nach
Erben gesucht, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker. Wie gut die
Erbensuche des Landes in den 90er Jahren gewesen sei, müsse der
Ausschuss entscheiden. Eine neue Suche werde es jetzt nicht geben.
Die Forderung nach einer Wahrheitskommission sei Polemik. «Bei der
Umsetzung der Konsequenzen aus dem BGH-Urteil hat sich das Land nichts vorzuwerfen.»
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 Brandenburg/Immobilien/Justiz/(Hintergrund)70 Bodenreform-Grundstücke zurückgegeben
   Potsdam (dpa/bb) - Im Zuge der Brandenburger Bodenreform-Affäre
hatte das Land in etwa 10 200 von insgesamt 82 000 Fällen keine Erben
gefunden. Bis zum Fristablauf am 3. Oktober 2000 hatte Brandenburg
sich quasi selbst als Erbenvertreter bestellt und beantragt, als
Eigentümer ins Grundbuch eingetragen zu werden. In knapp 6700 Fällen
ist dies auch geschehen. Bis heute gab es nach Auskunft des
Finanzministeriums 2070 schriftliche Anfragen möglicher Erben. Davon
seien 95 Prozent bearbeitet worden.

1451 Fälle wurden zu den Akten gelegt, vor allem, weil die
Grundstücke zu DDR-Zeiten verloren gegangen seien, hieß es im
Ministerium. In 308 Fällen habe es eine verbindliche Zusage auf
Rückgabe gegeben. Davon wurde in 170 Fällen (insgesamt 486 Hektar)
diese Rückgabe vollzogen. Unter dem Strich schätzt das Ministerium
die Zahl der Anspruchsberechtigten auf etwa 470.