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Schwarzbuch

Nach Spiegelausgabe Nr. 43 wirbelt ARD-Sendung "Plusminus" mit dem Titel "Kampf um Ackerboden" Staub auf


Kampf um Ackerboden Wie nach der Finanzkrise Renditejäger jetzt Landwirte von ihren Äckern vertreiben. Schwere Zeiten für Bauern in Ostdeutschland: Weil kapitalkräftige Investoren auf Einkaufstour sind, haben sich die Preise für Ackerland verzehnfacht. Klassische Landwirte können da oft nicht mehr mithalten. Es sind Aktionäre und branchenfremde Investoren, die nach Äckern, Wäldern und Weiden greifen. Beispiel: Ein Möbelfabrikant als Investor Neun agrargenossenschaftliche Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gehören zum Beispiel mittlerweile der Firma Steinhoff, einem weltweit agierenden Möbelunternehmen aus Niedersachsen. Nicht nur der Möbelfabrikant Steinhoff steigt in die Landwirtschaft ein, auch das Abfallentsorgungsunternehmen Rethmann oder die Aktiengesellschaft KTG Agrar kaufen sich in Agrargenossenschaften im Osten ein. Der Landverkauf des Bundes – ein "Ausverkauf"? Die großen zusammenhängenden Flächen in Ostdeutschland sind für Investoren besonders attraktiv. Viele Ländereien gingen nach der Wende in den Besitz des Bundes über. Mit dem Land sollten Enteignete entschädigt werden, doch nur sehr Wenige profitierten von der Landvergabe des Bundes, kritisiert der Mecklenburger Landwirt und Dozent Jörg Gerke. Er hat über den Umgang mit Ackerland in Ostdeutschland ein Buch geschrieben. Viele Flächen wurden vom Bund zunächst verpachtet. Diese Pachtverträge laufen jetzt aus. Große, zusammenhängende Flächen kommen auf den Markt – die sind interessant für Investoren. Für Jörg Gerke ist der Landverkauf des Bundes ein Skandal. Obwohl die ostdeutsche Politik immer behaupte, sie würde alles gegen den Ausverkauf dieser Flächen unternehmen, organisiere sie genau diesen Ausverkauf. Von Berlin aus verkauft die BVVG, die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, an den Meistbietenden. Und das ist häufig ein Konzern oder Investmentfonds. Wolfgang Horstmann, Sprecher der Geschäftsführung, bestätigt, dass große zusammenhängende Flächen inzwischen von Unternehmen bewirtschaftet werden, die in der Hand größerer Konzerne sind. Je höher die Bodenpreise - desto mehr verdient der Bund. Vier Milliarden Euro Überschuss hat die BVVG seit ihrem Bestehen 1992 erwirtschaftet. Früher ging Land zu subventionierten Preisen an nur wenige Marktteilnehmer. Die können ihr günstig erworbenes Land jetzt teuer weiterverkaufen. Jetzt beginnt der Bund selbst an den Meistbietenden zu verkaufen. Dadurch konzentriert sich immer mehr Land in den Händen von Aktiengesellschaften und Großinvestoren, die die höchsten Preise bieten können. Immer weniger Land wird in Zukunft von bäuerlichen Betrieben bewirtschaftet werden. Die Politik nimmt das in Kauf. Die Folgen sind eine Monopolisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft. Energiepflanzenanbau statt bäuerlicher Landwirtschaft Viele tausend Hektar Land gehören bereits dem Möbelunternehmen Steinhoff. Man halte sich an alle Gesetze und Verordnungen, so teilt das Unternehmen mit. Angebaut werden 115.000 Tonnen Mais im Jahr für Biogasanlagen. Industrielle Produktion von Energiepflanzen statt bäuerlicher Landwirtschaft. Politisch ist diese Amerikanisierung der Landwirtschaft gewollt. Den Menschen in der Region sind die Maismonokulturen nicht geheuer. Anwohner ziehen weg; Menschen, die in der Uckermark vom Tourismus leben, fürchten um ihre Existenz. Folgen für die Gesellschaft Heiner Flassbeck, UN-Chefvolkswirt (UNCTAD in Genf), kritisiert, dass der Staat an den Meistbietenden verkauft. Richtiger sei es, das Land an denjenigen zu verkaufen, von dem sich der Staat am meisten für die Gesellschaft erwarte - und das sei nicht immer der Meistbietende. In Zeiten, in denen es erhebliche Machtkonzentrationen in Form von Geld- und Vermögenskonzentration gäbe, müsse man ein Auge darauf haben, was der Meistbietende mit dem Land mache. Land sei zu wertvoll für die Gesellschaft als Ganzes, als das man es einfach einem Investoren überlassen könne. Schneller Strukturwandel Außerlandwirtschaftliche Investoren boten auch in der Uckermark Spitzenpreise. Stefan Palme, der dort 240 Hektar Pachtland ökologisch bewirtschaftet, sieht das mit großer Sorge. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich diese Wandlung in den letzten Jahren vollziehe, könne man davon ausgehen, dass es in zehn bis zwanzig Jahren kaum noch landwirtschaftliche Betriebe im herkömmlichen Sinne in Brandenburg gebe, sondern dass das Land aufgeteilt werde zwischen einer Handvoll Investoren, Aktiengesellschaften und Eigentümern von Industriebetrieben. Stefan Palme sieht keine Tendenz, dass sich dieser Prozess verlangsamt – eher, dass er sich beschleunigt. Autorin: Alexa Höber Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 02.11.2010. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt. Sendung vom Di, 02.11.10 | 21:50 Uhr