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Schwarzbuch

Appell von Potsdam


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Vor über zwanzig Jahren, nämlich am 23. April 1991 verkündete das Bundesverfassungsgericht unter dem Vorsitz von Prof. Roman Herzog das so genannte „1. Bodenreformurteil“, das in seiner problematischen „Auslegbarkeit“ und den daraus resultierenden Konsequenzen bis heute für den deutschen Rechtsstaat eine dramatische Abwärtsspirale ausgelöst hat.

Zusammen mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Rechtsanwendern, Organisationen und Rechtsstaatlern in Ost und West haben wir zum 20. Jahrestag dieses Urteils einen „Appell von Potsdam“ erstellt, der von namhaften Professoren der Rechtswissenschaften und anderer Bereiche unterzeichnet wurde.

Ziel dieses Appells ist es, die in letzter Zeit weiter fortgeschrittenen Erkenntnisse zum Thema der Verfolgungen/Konfiskationen von 1945-1949 ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und endlich eine gebotene und angemessene Aufarbeitung auf den Weg zu bringen.

Der Appell benennt, verdichtet in den drei Entscheidungen des BVerfG zur Frage der „Boden- und Industriereform“, die entstandenen Defizite in rechtsstaatlicher Hinsicht und soll Ausgangspunkte sowie Wege aus der entstandenen „Schieflage“ aufzeigen:

Kurzfristig muss im Rahmen der Umsetzung des 2. Flächenerwerbsänderungsgesetzes, als erster Schritt in Richtung Schadensbegrenzung, die Erteilung von Bescheiden für den vergünstigten Flächenerwerb massiv beschleunigt werden. Zudem ist die Suche nach Flächenerwerbsberechtigten bzw. deren Erben zu intensivieren.

Mittel- und langfristig müssen die Zusagen der gegenwärtigen Regierungskoalition im Bund zur Beseitigung von Defiziten u.a. als Folge des o.g. Urteils umgesetzt werden. Hierzu bestehen nunmehr einige Möglichkeiten und ein begrenztes Zeitfenster zur Umsetzung der dringend gebotenen Kurskorrekturen in Richtung Rechtsstaatlichkeit.

So kann z.B. durch straf- und verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, die kürzlich eine Fristverlängerung bis 2019 erfahren haben, der entstandene Schaden für Alteigentümer zu großen Teilen beseitigt werden, wenn die Rehabilitierung, wie es u.E. notwendig ist, nach den strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzen erfolgt.

Denn die Maßnahmen im Jahr 1945 in der SBZ und in der Folgezeit in der DDR waren in erster Linie keine verwaltungsrechtlichen Enteignungsmaßnahmen sondern sind vielmehr als strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen anzusehen. Daher ist nunmehr auch strafrechtliche und nicht verwaltungsrechtliche Rehabilitierung angesagt. Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth aus München hat zu diesem Thema unter anderem in der Juristen Zeitung Fachaufsätze verfasst und auch bei der FRE Sondertagung am 16.04.2011 einen Vortrag gehalten. So wies Dr. Wasmuth nach, dass die Enteignungen in Wahrheit ein politischer und brutaler repressiver Klassenkampf mittels inszenierter Strafverfahren war, um den „Klassenfeind“ zu vernichten, also die gesamte großbürgerliche, gewerblich-unternehmerische und industrielle Bevölkerungsschicht. Es ist zugleich die Zeit der Entnazifizierung gewesen, die damals auch im Deutschland der drei westlichen Besatzungsmächte stattfand, aber in der SBZ wurde sie zugleich zur politischen Säuberung von jener großbürgerlichen Klasse und zu deren Vernichtung genutzt und missbraucht.

Diese Erkenntnisse sollten nunmehr in Politik und Verwaltung, insbesondere aber auch bei den Gerichten endlich ein Umdenken in Richtung Schadensausgleich bewirken.

 Die „Potsdamer Neun“

Prof. Dr. Hans H. v. Arnim

Prof Dr. v. Arnim war Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere     Kommunalrecht und Haushaltsrecht, und Verfassungslehre in Speyer.
1993-1995: Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
1993-1996: Mitglied des Verfassungsgerichts Brandenburg.
Seit dem 01.04.2005 ist Prof Dr. v. Arnim in Speyer entpflichtet

Prof Dr. U. Hellmann

Prof Dr. Hellmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht insbesondere für Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Potsdam

Prof. Dr. K. A. Schachtschneider

1978-1989: Universitätsprofessor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg,   
1989: Ordinarius für öffentliches Recht der Universität Erlangen-Nürnberg                                                             1992–1995: Prodekan und Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen 
Seit 2005 ist er emeritiert und hält seither freiberuflich Lehrveranstaltungen ab.

Prof. Dr. Julius H. Schoeps

1974-1991: Professor für Politische Wissenschaft und Direktor des Salomon   Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg
1993-1997: Nebenamtlich Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien                                           1991-2007: Professor für Neuere Geschichte (Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte)   und geschäftsführender Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam

Prof. Dr. Th. Schweisfurth

Prof Dr. Schweisfurth war langjähriger Referent beim Max-Planck- Institut für ausländisches, öffentliches und Völkerrecht in Heidelberg.
1990-2007: Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht, öffentliches und ausländisches Recht an der Europa-Universität Viadrina in Frankkfurt/Oder

Prof. Dr. H. Joachim Selenz

Seit 1992: Mitglied des Vorstandes der Preussag Stahl AG Vorlesungen an der Universität Hannover.                             1994: Sprecher des Vorstandes Preussag Stahl AG.
1996: Mitglied des Vorstandes der Holding, Preussag AG.
Seit 1998: Honorarprofessor an der Universität Hannover.                                            
Ab 09/1999:Vorstand der EDAG, des größten unabhängigen europäischen   Automobilentwicklers in Fulda.

Prof. Dr. Joachim Starbatty

seit 1983: Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere     Wirtschaftspolitik, an der Universität Tübingen
1985/86: Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen
1991/93: Mitglied des Gründungssenats und Vorsitzender der   Gründungskommission „Wirtschaftswissenschaft“ der   wiedergegründeten Europa- Universität Viadrina Frankfurt/Oder
2005: Emeritus seit 30. September 2005

Prof. Dr. Manfred Wilke

Soziologe und Publizist, Projektleiter beim Institut für Zeitgeschichte München.                                                                1985: Professur an der Fachschule für Wirtschaft Berlin                                                                                                   1992: Mitbegründer des Forschungsverbundes SED-Staat, FU Berlin  - 2006: einer der beiden Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat. 2006: Pensionierung als Professor an der Fachhochschule für Wirtschaft

Prof. Dr. Michael Wolffsohn

seit 09/1981: Professor für Neuere Geschichte, insbesondere Geschichte der  internationalen Beziehungen an der    Universität der Bundeswehr München
2008/2009: Kulturreferent im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde  München

 

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Appell zum BVerfG-Urteil vom 23.4.1991.doc102.5 Ko
Erosion des Rechtsstaates.doc181.5 Ko
Appell Rückantwort.doc125 Ko
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