WiROZ

Schwarzbuch

Amtspflicht zu raschem Behördenhandeln


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Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten

Bürger stehen Schadensersatzansprüche gegen den Staat zu

Der Bundesgerichtshofs bejaht Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen einer unzumutbaren Verzögerung beim Handeln einer Behörde.

1. Der Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Bauträger auf seinem Grundstück Eigentumswohnungen gebildet und diese an Interessenten verkauft. Die Kaufpreiszahlungen sollten erfolgen, wenn zugunsten der Käufer Vormerkungen im Grundbuch zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Eigentumsübertragung eingetragen waren. Der hierfür zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch überlastet und trug die Vormerkungen deswegen erst nach einem Jahr und acht Monaten ein. Wegen des dem insolvent gewordenen Bauträger entstandenen Zinsschadens verlangt nunmehr die finanzierende Sparkasse, der die Ersatzansprüche abgetreten worden sind, von dem Bundesland Schadensersatz in Höhe von zunächst etwa 450.000 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben.

2. BGH: Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Er hat hierbei allerdings die geltend gemachten Ersatzansprüche im Ansatz bejaht.

Jede Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Ist dies wegen Überlastung des zuständigen Beamten nicht gewährleistet, so haben nicht nur die zuständige Behörde, sondern auch die übergeordneten Stellen bis hin zum Ministerium im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen.

Inwieweit sie hierzu in der Lage gewesen wären, ist im vorliegenden Rechtsstreit noch von den Instanzen zu klären. Soweit zur Beschleunigung Haushaltsmittel und Stellen z.B. für die Gerichte erforderlich sind, hat der Bundesgerichtshof an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass auf eine etwaige Pflichtverletzung des Gesetzgebers ein Schadensersatzanspruch des Bürgers nicht gestützt werden kann.

Bei der hier in Rede stehenden unzumutbaren Verzögerung von Eintragungsanträgen kommt außer dem Amtshaftungsanspruch noch ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf angemessene Entschädigung für die entgangene Nutzung seines Eigentums aus dem Gesichtspunkt des so genannten "enteignungsgleichen Eingriffs" in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der allerdings nicht auf vollen Schadensausgleich gerichtet ist, hat der Bundesgerichtshof hier für gegeben erachtet. In dieser Beziehung waren aber noch weitere tatsächliche Feststellungen zur Höhe der Entschädigung durch das Berufungsgericht erforderlich.

Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05

3. Kommentar von Rechtsanwalt Möller-Meinecke

Diese erfreuliche Entscheidung schafft etwas Klarheit: Jede Behörde hat gegenüber dem Bürger die Pflicht, dessen Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Mängel in der Arbeitsorganisation rechtfertigen zukünftig keine Verzögerung mehr. Auch sind die Behörden gehalten, die modernen Medien zur raschen Abstimmung mit anderen Fachbehörden zu nutzen. Begründet sich die Verzögerung hieraus, haftet der Staat für den dadurch verursachten Schaden gegenüber dem Bürger.

Erfreulich ist auch die Klarstellung, dass nicht nur die zuständige Behörde Kontrollpflichten hat, sondern auch die übergeordneten Stellen bis hin zum Ministerium über die zügige Bearbeitung von Bürgeranträgen wachen müssen und bei erkannten Mängeln unverzüglich Abhilfe schaffen müssen.

Eine kleine aber wichtige Ausflucht bei der Bundesgerichtshof den Behörden aber offen gelassen: Ist eine weitere Beschleunigung nur dadurch möglich, dass der Haushaltsgesetzgeber weitere Mittel für neue Stellen oder moderne Technik zur Verfügung stellt, scheitert der Schadensersatzanspruch des Bürgers, weil der Bundesgerichtshof in die Autonomie des Parlaments zur Verteilung der Haushaltsmittel nicht eingreifen will.