Leserbrief Teilerfolg für DDR-Enteignete F.A.Z. vom 30.06.06
An die Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Hellerhofstr.2-4 - 60267 Frankfurt/M
Betr. »Teilerfolg für DDR-Enteignete« (FAZ v. 30.06.06., S. 5)
Leser-Stellungnahme mit der Bitte um Berücksichtigung aus besonders aktuellem Anlass. Brüssel, den 01.07.06
Die erwähnte neuerliche Beschwerde eines in der DDR widerrechtlich Enteigneten, die offenbar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg tatsächlich angenommen wurde, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den seit der Wiedervereinigung entstandenen Zustand in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Bundesrepublik. Am Beispiel der Behandlung der Rechte Abertausender, vor allem von Neubundesbürgern, wird das speziell vom Bundesverfassungsgericht forcierte Auseinanderdriften des Eigentums- und Wiedergutmachungsrechts -Ost von der "normalen" Gerichtspraxis West deutlich. In der Tat ist nämlich die im Einigungsvertrag als eine zentrale Frage festgelegte Ersatzgrundstücksregelung, (Anl. III Abs. 3 b ff. Einigungsvertrag, dem übrigens auch eine wichtige Rolle beim Aufbau Ost zugedacht war !) vom Bundestag in einer »Freitags-mittags-Nebelaktion« gekippt worden, was die Justiz offenbar nicht störte - bis hin zum Bundesverfassungsgericht, (das entsprechende Beschwerden einfach nicht annahm - und diese Nicht-Entscheidung nicht einmal begründete). Da die eindeutige Regelung im Vermögensgesetz aber auf der eindeutigen Vorgabe durch den Einigungsvertrag beruhte, der Einigungsvertrag aber von niemandem ausser den Rechtsnachfolgern der Einigungsvertragspartner BRD und DDR (d. h. vom Bund u n d den jungen Ländern) geändert werden kann, ist die in dieser Form praktizierte Streichung der Ersatzgrundstücksregelung also schlicht verfassungs- und rechtswidrig, womöglich sogar nichtig.
Mit dem von Ihnen angedeuteten Fall und seinen, zum Teil skandalösen Begleiterscheinungen, wird in Strassburg und hier im Lande wieder ein Blick in die seit 1991 eingetretene neue "Rechtswirklichkeit" möglich. Wenn auch von vielen noch nicht bemerkt, markieren inzwischen ein dutzend gravierender Einbrüche in die Rechtsstatlichkeit die dramatische und schon jetzt auch für den Aufbau Ost so deutliche Gefährdung der Eigentums- und Freiheitsrechte:
Von den bestätigten Konfiskationen 1945-49 und den Konfiskationen des Neusiedlerlandes nach 1994 über die Behandlung der Mauergrundstücke, vom Haftungs-Sonderrecht für Treuhandmitarbeiter über die gestrichene Ersatzgrundstücksregelung bis zum Skandal um das DDR-Entschädigungs-Erfüllungsgesetz und das Verkehrsflächen-Bereinigungsgesetz für die Kommunen und gegen die Eigentümer, so lässt sich die Liste als Skizze der Untaten an, ohne dass sie damit alle erfasst hätte.
Dass die blosse Anahme in Strassburg zumindest einer der überfälligen Beschwerden schon als "Teilerfolg" für die Eigentumsrechte eingestuft werden kann und Strassburg noch einmal als "Hoffnungsanker" auftaucht, signalisiert eigentlich nur die eingerissenen Zustände bei deutschen Obergerichten, insbesondere beim Bundesverfassungsgericht. Ein echter erster "Teilerfolg für DDR-Enteignete" in Gestalt eines ordentlichen Urteils, auch zur Klarstellung gegenüber »Karlsruhe« würde übrigens dem so ramponierten Ansehen des "BRD-Rechtssystems" vor allem in den jungen Ländern wirklich sehr gut tun.
Manfred Graf v. Schwerin , Brüssel