EU-Gelder: Bald wissen alle, was Brüssel den Bauern zahlt - von E. Ehlers------ Heute : Frontal berichtet
Das Schweriner Agrarministerium wird noch in diesem Jahr offenlegen, welche Betriebe in MV die höchsten Beihilfen erhalten.
Schwerin/Brüssel (OZ) Franz-Joachim Bienstein ist zufrieden. "Der Druck zeigt Wirkung", meint der Landwirt aus Martensdorf bei Wismar. Auch das Schweriner Agrarministerium wird offenlegen, welche Landwirtschaftsbetriebe die höchsten Agrarbeihilfen aus Brüssel erhalten. "Die Anfragen an die Betriebe sind raus, bis auf wenige Ausnahmen werden wir die Angaben zum Jahresende veröffentlichen", bestätigte gestern ein Ministeriumssprecher.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), deren Landessprecher Bauer Bienstein ist, setzt sich in der "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen", der mehr als 30 Organisationen angehören, für die Offenlegung der Beihilfen ein. "Wir wollen damit eine Diskussion in Gang setzten, ob die EU-Mittel richtig verteilt sind", so Bienstein. Brandenburg und Nordrhein-Westfalen hatten vor wenigen Tagen als erste Bundesländer konkrete Zahlen benannt. Größte Zahlungsempfänger in Brandenburg sind die Berliner Stadtgüter (13 300 Hektar) und die Landwirtschafts Golzow GmbH im Oderbruch (6950 Hektar), die pro Jahr vier bzw. 2,2 Millionen Euro aus Brüssel erhalten. Insgesamt erhalten in Brandenburg 22 Unternehmen Zuweisungen von mehr als einer Million Euro im Jahr. Zu den Spitzenempfängern in Nordrhein-Westfalen gehören laut AbL die Güter des Grafen von Westfalen (516 000 Euro), des Freiherren von der Leyen (264 000) (Grevenbroich), Fürst Metternich-Ratibor-Corvey (228 000) sowie der Stromkonzern RWE mit 472 000 Euro für seine Rekultivierungslandwirtschaft. Pro Hektar zahlt die EU rund 300 Euro.
Die AbL kritisiert, dass die Zahlungen nur nach der Flächengröße berechnet werden, dass die größten Höfe also automatisch die höchsten Beträge erhalten. Bienstein: "Wie viele Leute dort Arbeit und Einkommen finden, spielt keine Rolle. Die Betriebe haben eher einen Anreiz, Arbeitsplätze abzubauen als neue zu schaffen." Martin Hofstetter von Greenpeace moniert, dass nicht berücksichtigt wird, wie ökologisch die Betriebe wirtschaften. "Für die Steuerzahler ist aber interessant, ob Kühe auf die Weide kommen oder nur im Stall bleiben müssen. Verbraucher wollen, dass mit den Geldern eine umweltverträgliche und tiergerechte Landwirtschaft gestärkt wird", meint Hofstetter. Vor diesem Hintergrund begüßten zum Beispiel die AbL und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Vorschläge von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel zur Staffelung der Direktzahlungen an die Bauern. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) kündigte dagegen gestern in Brüssel harten Widerstand gegen die Pläne der EU-Kommission an, die vor allem für große Agrarbetriebe in Ostdeutschland zu erheblichen Einbußen führen könnten.
"Die Diskussion groß oder klein führt in die falsche Richtung", meint dagegen Landwirt Bienstein, der einen 300 Hektar-Hof bewirtschaftet. Ihm gehe es vielmehr um Chancengleichheit. Aus seiner Sicht seien die LPG-Nachfolge-Betriebe vor allem in der Bodenpolitik bevorteilt. "Seit Jahren können sie große Flächen von der Bodengesellschaft BVVG pachten. Wenn sie den Boden jetzt mit Geld aus Brüssel vergünstigt kaufen, potenziert sich dieser Vorteil noch", sagt der Bauer, der erst in den 1990er-Jahren nach Mecklenburg zog und sich vergebens um BVVG-Flächen bemüht. "Das ist der eigentliche Wettbewerbsnachteil, der beseitigt werden sollte.
" Kommentar Internet: Die Empfänger von Agrargeldern in Brandenburg und NRW unter www.wer-profitiert.de <http://www.wer-profitiert.de>
ELKE EHLERS
Agrarbeihilfen : Mehr Transparenz Von ELKE EHLERS
Über Geld spricht man nicht, sagt der Volksmund. Privat nimmt das wohl jeder gern für sich in Anspruch. Oder wer offenbart seinem Nachbarn schon freiwillig seinen Kontostand? In Firmen wird Mitarbeitern sogar oft strikt untersagt, darüber zu plaudern, was bei wem auf dem Lohnschein steht.
Den Bauern soll jetzt jedoch ganz ungeniert ins Portmonee geschaut werden. Auch wenn Betroffenen dabei vielleicht ein bisschen unwohl ist, sie werden damit leben müssen. Das Geld, das Agrarbetriebe aus Brüssel erhalten, bezahlt der Steuerzahler. Und der hat ein Anrecht darauf zu erfahren, wie es ausgegeben wird.
Das begrüßenswerte Streben nach mehr Transparenz darf jedoch nicht in eine Neiddebatte abgleiten. Damit wäre niemandem gedient. Die Bauern erbringen wichtige Leistungen für die Gesellschaft - von der Produktion von Nahrungsmitteln bis zur Pflege der Landschaft. Auch wenn hierzulande kaum noch jemand Hunger leidet, der Wert von Lebensmitteln kann nicht hoch genug geschätzt werden. Da viele Agrarprodukte in der Hochlohnregion Europa jedoch nicht so preiswert hergestellt werden können, wie sie verkauft werden, erhalten die Landwirte Ausgleichszahlungen von der EU. Rechtfertigen müssen sie sich dafür nicht. Gemessen werden sollten die Bauern aber daran, ob sie Umwelt- und Tierschutzstandards und vor allem ihrer sozialen Verantwortung zur Schaffung von Arbeitsplätzen gerecht werden. In diesen Fragen kann Transparenz nur nützlich sein.