Das Urteil kann Folgen für MV haben: Womöglich müssen hier Tausende Fälle neu bewertet werden...OZ -29.02.08
Bodenreform: 3000 Fälle L w vor der Revision?
Der Bundesgerichtshof hat die Aneignung von Bodenrefofrriland durch das Land Brandenburg als „sittenwidrig und nichtig"
Von ELKE EHLERS
Rostock (OZ) In rund 3000 Fällen hat sich das Land Mecklenburg-Vorpommern ehemaliges Bodenreformland angegeignet, weil nach Ansicht der zuständigen Behörden keine rechtmäßigen Erben ausfindig gemacht werden konnten. Dem Land fielen dadurch 8000 Hektar Land zu. Darüber informierte Agrar-minister Till Backhaus (SPD) gestern den Agrarausschuss des Landtages, der sich auf Antrag der CDU mit diesem Thema befasste.
Nach einem Skandal im Nachbarland Brandenburg bewegt das Thema auch Bodenreform-Bauern und ihre Erben in Mecklenburg-Vorpommern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem Urteil vom 7. Dezember 2007 (Az.: V ZR 65/07) das Vorgehen des Landes Brandenburg als „sittenwidrig und nichtig" bezeichnet, in dem sich das Nachbarland als Eigentümer von Boden-reform-Grundstücken ins Grundbuch eintragen ließ.
Die Grimmener Rechtsanwältin Catherine Wildgans geht davon aus, dass es ähnliche Fälle auch in Mecklenburg-Vorpommern gab. „Wo man auf die Schnelle keine Erben finden konnte, sind gesetzliche Vertreter eingesetzt worden, die dann dem Land die Grundstücke überließen", meint Wildgans.
In Schwerin wird dieser Vorwurf strikt zurückgewiesen. „Wir haben gründlich geprüft, bevor ein Bodenreform-Grundstück in Landesbesitz überging", so Dr. Jürgen Buchwald, zuständiger Abteilungsleiter im Schweriner Agrarministerium, auf OZ-Anfrage. Stand ein verstorbener Eigentümer im Grundbuch, habe die landeseigene Landgesellschaft nach 1992 umfangreich recherchiert. Mitarbeiter hätten in Einwohnermeldeämtern, bei Nachlassgerichten, im Bundesverwaltungs-amt Gießen, Kirchenbüchern und direkt vor Ort in den Agrarbetrieben und Gemeinden nach Erben gesucht. Buchwald: „Unsere Vorgehensweise unterscheidet sich grundlegend von der in Brandenburg." Nur wenn bis zum Stichtag im Oktober 2000 keine Erben gefunden wurden, setzte das Land Vertreter ein, über die die Immobilie dann dem Land zugesprochen wurde.
Pikant: Die Landkreise setzen dafür als unabhängige Dritte neben Rechtsanwälten häufig frühere Mitarbeiter der Landgesellschaft ein, die zuvor in ihrem aktiven Dienst genau diese Erben nicht gefunden hatten. „Das legt den Schluss nahe, dass das Land gar keine Erben finden wollte", mutmaßt Rechtsanwältin Wildgans. Buchwald hält dagegen: „Diese Privatpersonen hatten die beste Kenntnis der Materie."
Nach Kenntnis von Rechtsanwältin Wildgans schmoren „bei den Landkreisen noch Schränke voller Akten", die nach dem Brandenburger Urteil nochmals geprüft werden müssten. „In Schreiben an Ministerium, Landkreise und kreisfreie Städte verlangen wir Auskunft, um welche Fälle es sich handelt", sagt die Anwältin. Laut Buchwald kann es sich dabei nur um Grundstücke handeln, die das Urteil nicht berührt. Seite 5: Bericht
STICHWORT
Bodenreform 1945
Die Bodenreform stand am Anfang der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland. Unterm Motto „Junkerland in Bauernhand" wurde in der Sowjetischen Besatzungszone, später DDR, Großgrundbesitz über 100 Hektar (ha) entschädigungslos enteignet. Dazu kam Grund und Boden von Kriegsverbrechern und Nazi-Führern. Insgesamt war ein Drittel der Wirtschaftsfläche im Osten betroffen. 7000 Großagrarier verloren damals 2,5 Millionen Hektar. Insgesamt wurden 3,1 Mio. Hektar an 500 000 Landarbeiter, Bauern, Umsiedler u.a. verteilt.