Bodenreform-Affäre: Es gab Warnungen im Ministerium....Die Welt / 30.08.2008
Dokument belegt massive rechtliche Bedenken
Potsdam - In der Affäre um die rechtswidrige Aneignung von Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg ist jetzt ein brisantes Dokument aufgetaucht: Es belegt erstmals massive rechtliche Bedenken aus dem brandenburgischen Justizministerium gegen die geplante Praxis des Landes, sich im Falle unbekannter Eigentümer und Erben als gesetzlichen Vertreter in die Grundbücher eintragen zu lassen. In dem Papier vom Herbst 1999 wurde vor einem "Missbrauch" gewarnt, sollte das Land sich als Vertreter eintragen lassen. Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, sollte es einen Dritten zum Vertreter bestellen. Bislang war nur ein Schreiben aus dem Justizministerium bekannt, indem ebenfalls auf der Fachebene vor den negativen rechtspolitischen Folgen gewarnt wurde. Die Bestellung des Landes als gesetzlicher Vertreter könnte "in der öffentlichen Meinung auf starke Vorbehalte treffen".
"Der Untersuchungsausschuss muss nun klären, weshalb das jetzt aufgetauchte Schreiben offenbar nicht mehr in den Briefwechseln der Referats- und Abteilungsleiter zwischen Justizministerium und dem federführenden Finanzministerium aufgetaucht ist", sagt der stellvertretende Ausschussvorsitzende Christian Görke (Linke).
Das Land hatte nach einer gesetzlichen Verjährungsfrist bis zum 2. Oktober 2000 Zeit, um mögliche eigene Ansprüche zu sichern. Es tat dies unberechtigt in 10 200 Fällen unbekannter Eigentümer und Erben. Bedenken gegen das damalige Vorgehen des Landes hatten auch Notare und einige Landkreise geäußert. Einzig der Kreis Teltow-Fläming weigerte sich und setzte neutrale Treuhänder ein. Die anderen Kreise und kreisfreien Städte hingegen ließen sich Haftungsfreistellungen erteilen. Die oppositionelle Linkspartei sieht im Untersuchungsausschuss bislang bestätigt, dass das Land einen "verhängnisvollen Sonderweg" bestritten habe. Während in Brandenburg ein Anspruch auf etwa 10 200 von 82 000 Bodenreform-Grundstücken erhoben wurde, waren es laut Linke in Mecklenburg-Vorpommern 3000 von rund 50 000 Fällen.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses habe bislang auch ergeben, dass der Landtag nicht in die rechtswidrige Verwalterpraxis eingebunden gewesen sei, sagte Görke. Es gebe aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die jeweiligen Hausspitzen involviert waren. "Für uns ist es erschütternd, dass bei der Umsetzung der Praxis in Brandenburg kein gestalterischer politischer Einfluss genommen wurde", sagte Görke. Das Verfahren sei offenbar nicht einmal politisch begleitet worden. "Es gab ein gefährliche Verselbstständigung des Apparats auf Abteilungs- und Referatsleiterebene", konstatierte Görke.
Im Untersuchungsausschuss soll nach der früheren Finanzministerin Wilma Simon (SPD) als nächster prominenter Zeuge Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am 7. Oktober gehört werden. Eigentlich war seine Vernehmung bereits für September noch vor den Kommunalwahlen vorgesehen. Den ersten Termin sagte Schönbohm wegen einer Auslandsreise ab. Die Linke werde weiterhin die Vernehmung von Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) - sie war von 2000 bis 2004 Finanzministerin - und des ehemaligen Chefs der Staatskanzlei und jetzigen Finanzministers Rainer Speer (SPD) beantragen. Auch müssten noch die Geschäftsführer von professionellen Recherche-Unternehmen, die nach Bodenreformerben gesucht hätten, vor den Ausschuss geladen werden.