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Geschichte: Birthler: Brandenburg tut sich schwer mit Aufarbeitung. Stasi-Beauftragte kritisiert das Land...


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POTSDAM - Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Marianne Birthler, hat Brandenburg vorgeworfen, sich nicht ausreichend um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu kümmern. „Mein Eindruck ist, dass das Land Brandenburg sich im Vergleich zu anderen ostdeutschen Bundesländern immer sehr schwer damit getan hat, kritisch auf die SED-Diktatur zu schauen“, sagt Birthler in einem Interview mit der MAZ.

Ein Grund dafür könne die Politik des früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) sein, so Birthler. „Aber es spielt sicher auch eine Rolle, dass im Berliner Speckgürtel bis heute sehr viele Menschen leben, die zur DDR-Nomenklatura gehört haben.“ Denen gehe es zwar heute recht gut, viele hätten aber ihre Meinung zur DDR nicht geändert.

Stolpe amtierte von 1990 bis 2002 als Regierungschef. In seiner ersten Amtsperiode führte er eine Ampel-Koalition, in der Marianne Birthler für das Bündnis 90 zunächst das Bildungsministerium leitete. Aus Protest gegen Stolpes frühere Stasi-Kontakte als Kirchenfunktionär in der DDR trat sie jedoch 1992 zurück. Auf die Frage, ob sie Stolpes Rolle heute anders sehe, antwortete sie: „Es gab zwischenzeitlich keinen Anlass, meine Meinung zu ändern.“

Die märkische SPD wies die Aussage der Bundesbeauftragten zurück und unterstellte persönliche Motive. „Mein Eindruck ist, dass Frau Birthler ihren Rücktritt aus der Landesregierung noch nicht verarbeitet hat“, sagte Generalsekretär Klaus Ness gestern der MAZ. „Dazu würde bei ihr die Erkenntnis gehören, dass die Person Stolpe das ungeeignete Objekt für die DDR-Vergangenheitsbewältigung war. Dazu ist sie offensichtlich nicht in der Lage.“ Ness sagte weiter: „Die Brandenburger haben diese Vorhaltungen von Frau Birthler nicht verdient.“ Die Abwahl des Stasi-IM Jestel als Bürgermeister in Welzow beweise ganz aktuell, dass sie sich der DDR-Vergangenheit stellen und daraus auch Konsequenzen ziehen würden.

Die CDU stimmte Birthler ausdrücklich zu. „In Brandenburg ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema SED-Vergangenheit nicht erwünscht“, sagte Generalsekretär Dieter Dombrowski. Auch Dombrowski machte dafür das Erbe des früheren Landesvaters verantwortlich. Stolpe und die damalige Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) hätten eine entsprechende gesellschaftliche Kultur befördert. „Es galt: In Brandenburg existiert das Gute aus der DDR weiter. Das Negative wurde ausgeblendet.“ Als Beleg für anhaltende Defizite führte Dombrowski Untersuchungen an, wonach Brandenburger Schüler gravierende Wissensmängel zum Thema DDR haben und auch zur Verklärung neigten.

(Von Henry Lohmar) MAZ, 26.02.2009